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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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Bestellungen kamen Erfahrungen und Daten hinzu,
mit denen Gentz und Schneider ihr Angebot kundennäher und damit
umsatzträchtiger gestalten konnten. Vom ersten Tag an wurde alles trocken
ausgewertet, das Bauchgefühl zählte nicht viel: Welche Artikel hat der Kunde
gesucht und angeschaut, was hat er gekauft und was hat er sich nur angeschaut?
Wofür interessiert er sich noch? Wie hoch sind nach dem Kauf die Retourenquoten
der einzelnen Artikel? So bekamen die Rationalisten mithilfe ihrer geliebten
Zahlen und Daten ein Gefühl für den Markt, den sie aufzurollen gedachten.
    Derart akribisch arbeitet Zalando noch heute, nur auf ungleich
größerer Datenbasis. Was die analytischen und die handwerklichen Qualitäten der
Arbeit betrifft, sehen viele E-Commerce-Experten Zalando längst als
Europameister. Mancher stellt die Perfektion der Verkaufsmaschine Zalando
bereits in eine Reihe mit der des Onlinehändlers schlechthin, nämlich mit
Amazon. Die Grundlagen ihres Wettbewerbsvorteils, die Daten-Pipeline für das
spätere Milliardenunternehmen, legten die Gründer Gentz und Schneider in diesen
frühen Tagen von Zalando.
    Die Perfektionierer aus Berlin-Mitte scheinen ihre Arbeit von
Anfang an gut gemacht zu haben. Denn die Zahl der Bestellungen stieg stetig.
Zunächst brachten die Gründer die Pakete noch jeden Abend selber zur Post an
der Torstraße. Schon nach zwei oder drei Wochen allerdings waren es so viele,
dass die Zalando-Leute ein Taxi für die Schuhe bestellen musste. Doch schon
bald konnten die Geschäftsführer die Mitarbeiter der Post »überzeugen«, die
Pakete an der Torstraße abzuholen. »Zehn Pakete am Tag schaffen wir schon«,
hatte Gentz mutig versprochen. Die schafften sie auch – und den Paketboten
gleich mit. Denn weil das Tagespensum schnell bei 50 oder 60 Paketen lag,
klagte der, wenn auch halb im Scherz: »Wenn ich bei euch war, ist mein
Transporter voll.« Der Mann kam gegen Mittag vorgefahren und brachte gleich die
Retouren mit – auf diesen Zeitpunkt taktete Zalando seine noch sehr
überschaubare Versandabteilung. Die Idee für die längst Kult gewordene
Zalando-Werbung mit dem Postboten allerdings kam erst viel später.
    Für Gentz und Schneider waren diese Entwicklungsschübe ihrer
noch sehr überschaubaren Logistik Indizien dafür, dass sie auf dem richtigen
Weg sind. Wichtiger war mal wieder eine Zahl: Im Dezember 2008, also drei
Monate nach dem Start, erzielte Zalando bereits einen Umsatz von 50 000 Euro.
20 Mitarbeiter, ein paar Festangestellte und viele Praktikanten, verdienten ihr
Geld an der Torstraße. »Alle hatten Lust auf diese Aufbruchstimmung und die
Atmosphäre. Wir wollten alle etwas aufbauen. Das war ein starker Magnet.« Mehr
als ein Drittel dieser ersten 20 Mitarbeiter sind Mitte 2013 noch bei Zalando,
allen voran Angestellte Nummer eins, Nicole Appel. Sie leitet heute das Büro
der drei Geschäftsführer. Und der erste Praktikant, der schon in der
Fliptop-Zeit dabei war, kehrte nach dem Ende seines Studiums zurück und machte
Karriere als IT-Mann bei Zalando. Als eine der ersten angestellten Einkäuferinnen
kam Claudia Reth von einem traditionellen Schuhkonzern und stürzte sich mit
einer gehörigen Portion Risiko in das gerade gegründete Mini-Unternehmen. »Sie
kannte sich richtig gut aus und bestellte junge Marken, auf die ich damals nie
aufmerksam geworden wäre. Das hat uns bei den Kunden sehr geholfen, weil es
diese Marken anderswo kaum gab«, lobt Schneider.
    Das Wachstum setzte sich munter fort: Im August 2009, also
knapp ein Jahr nach der Gründung, lag der monatliche Umsatz bei 400 000 Euro –
allerdings vor Abzug des Wertes der Retouren und einschließlich Mehrwertsteuer.
»Für uns war das schon eine riesiger Wachstumsschritt«, so Gentz. Die Logistik
gaben die beiden Chefs aus Kapazitätsgründen bald an DocData ab, den
niederländischen Dienstleister, der heute noch immer einen der Standorte von
Zalando betreibt.
    Dass sie bei allem Wachstum und trotz ihrer Sparsamkeit mit dem
Startkapital von 50 000 Euro nicht weit kommen und dass es »sehr, sehr knapp
werden« würde, war beiden klar. Die große Finanznot gleich zum Start blieb
Zalando immerhin erspart. Denn Alexander Samwer hatte bereits sehr früh die
Fühler ausgestreckt. Er kontaktierte noch im Oktober Holtzbrinck Ventures, dem
Risikokapital-Zweig der Stuttgarter Verlegerfamilie. Holtzbrinck hatte den
Samwers – und hier schließt sich ein Kreis – zuvor ja schon das Netzwerk
StudiVZ abgekauft.

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