Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
kleinerer Städte oder die Stadtteilzentren der großen Citys
zumindest für die zahlungskräftige Kundschaft bald so unattraktiv, dass es sich
wirklich nicht mehr lohnt, dort hinzufahren. Und gerade solche Städte sind auf
Laufkundschaft angewiesen. Aber wenn hier immer weniger Kunden laufen, ist eine
Abwärtsspirale in Gang gesetzt, von der niemand weiß, wie sie gestoppt werden
könnte oder wo sie endet. Die Folgen spüren auch die Standort-Kommune, wenn ihr
dringend notwendige Gewerbesteuereinnahmen entgehen und mutmaßlich nicht alle
bisherigen Ladenmitarbeiter neue Jobs finden werden.
Schwarzmalerei? Praktisch kein Gesprächspartner sieht die
kleineren Städte oder die 1 B-Lagen nicht als Verlierer des Erfolgs von
Zalando, Amazon und der anderen Internethändler.
Rheingold-Psychologe Grünewald: »Die Grenzen des Onlinehandels
sind ja noch lange nicht erreicht. Da kann man sich schon Sorgen um den
stationären Handel machen.«
Ralf Rothberger von C&A: »Es droht die Gefahr massiver
Leerstände in den Innenstädten, wenn ein Drittel des Umsatzes ins Internet
abwandert. Es ist halt wahnsinnig schwer für einen stationären Händler, seine
Kosten der sinkenden Nachfrage anzupassen. Wo soll er sparen? Beim Personal
durch noch mehr Aushilfen? Dann gibt er seinen Hauptvorteil gegenüber den
Onlineshops – die persönliche, kompetente Beratung – aus der Hand. Bei Werbung
und Marketing? Das ist gerade in schwierigen Zeiten besonders riskant.« Auch an
den Kosten für Strom, Versicherungen oder den Wareneinkauf wird nicht viel zu
schrauben sein. »Bleibt«, so Rothberger, »die Miete«. Bevor sich hier etwas
tut, ist allerdings erst einmal die Einsicht der Vermieter notwendig. Ihnen
muss klar sein, dass ihnen der Nutzer der Ladenlokale abhandenkommen könnte,
wenn sie die Miete nicht reduzieren.
Die Vermieter von Geschäftshäusern sehen viele in der Branche
damit als weitere Opfer der Online-Offensive. Doch es ist schwierig, Vermieter
zu dauerhaften Mietrabatten zu bewegen, wie man zuletzt an großen
Handelsinsolvenzen wie denen von Karstadt oder SinnLeffers gesehen hat. Denn
oft befinden sich die Immobilien in der Finanzierungsphase. Der Eigentümer hat
also einen Betrag x für Mieteinnahmen eingeplant, mit denen er Zinsen und Tilgung
für den Kredit bezahlt. Rutscht er unter diese Summe, droht seine Finanzierung
zusammenzubrechen. Immobilienfonds haben ihren Zeichnern gewisse Renditen in
Aussicht gestellt – viele der Fonds-Investoren werden sich Mietsenkungen
widersetzen, sie wollen einfach Geld sehen. Und bei Privatvermietern, die das
Haus längst abbezahlt haben und die mit einer Reduzierung der Einkünfte
eigentlich leben könnten, wird es schwierig, wenn das Gebäude einer
Erbengemeinschaft gehört, deren Mitglieder sich nicht grün sind. Es hat viele
Fälle gegeben, in denen Eigentümer trotz schlechter Chancen auf einen
Nachmieter lieber einen monatelangen Leerstand riskiert haben, als dem
aktuellen Mieter zehn Prozent der Kosten zu erlassen. Wenn die
Strukturveränderungen durch Online weitere Kreise ziehen, ist das allerdings
eine Vermieter-Spekulation, die mehr Werte vernichten wird als eine Reduzierung
der Miete. Der Druck auf die Vermieter, deren Immobilien sich nicht an den
1A-Lagen befinden, wird steigen.
Kai Hudetz vom IFH: »Die Top-Lagen werden weiterhin
hervorragend laufen und noch teurer werden. Es ist aber die Tendenz zu
erwarten, dass hier die Läden kleiner werden, weil mehr Produkte virtuell
präsentiert und im Laden Online bestellt werden können. Um die Geschäfte in den
großen Städten mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Auf Dauer sehe ich aber
auch Probleme nicht nur für die kleineren Innenstädte, sondern auch für
mittelmäßige Einkaufszentren und ganz besonders die großen Läden auf der grünen
Wiese vor den Städten. Deren Vorteil war bisher immer, dass sie auf ihrer
großen Fläche sehr viele Produkte zeigen konnten. Diesen Vorteil kassiert jetzt
das Internet: Dort gibt es noch viel mehr Produkte als jeder 10 000
Quadratmeter große Markt bieten könnte.«
Deichmann-Manager Hackel: »Das Ergebnis wird eine beschleunigte
Konzentration werden. Wir sehen das jetzt schon in Nebenstraßen der großen
Einkaufsmalls in Großbritannien und den Niederlanden, da gibt es immer mehr
Leerstände.« Da beide Länder einen höheren Onlineanteil am Handel haben als
Deutschland, Österreich oder die Schweiz, lässt sich erahnen, was noch auf die
kleineren Innenstädte im
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