Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Haus von aussen viel kleiner wirkte als es innen war; sowohl die Tierarztpraxis wie auch die Wohnräume waren unter Einbezug der alten Balken und Mauern attraktiv gestaltet worden und boten viel Platz. Vor dem Haus gab es einen Unterstand für zwei Autos, daneben zwei weitere Parkplätze und einen kleinen Fahrradständer. Der Praxiseingang befand sich gut sichtbar beim Parkplatz; der Weg zur privaten Haustüre führte durch ein Gartentor und um die Ecke des Hauses. Auf dem Parkplatz glänzte heute ein dunkelgrüner alter Jaguar mit tiefem Nummernschild; unter der Praxistüre war eine laute Diskussion im Gang.
„Ich will mit dem Herrn Doktor persönlich reden, nicht mit irgend einer dahergelaufenen Person, verstehen Sie? Ich bin eine langjährige Patientin, und meiner kleinen Stella hier geht es so schlecht, dass sie notfallmässig behandelt werden muss. Sie hinkt und hat Schmerzen, und das ist kein Zustand für ein ganzes Wochenende.“ Die schick gekleidete Blondine mittleren Alters hielt ein Miniaturhündchen im Arm und versuchte, sich an der anderen Person vorbeizudrängen, hatte aber überhaupt keine Chance: unter der Tür stand eine grosse, üppig gebaute, in leuchtende Farben gekleidete Frau und versperrte ihr den Weg.
„Die Praxis ist geschlossen, der Herr Doktor kann Sie und Ihren Hund heute nicht behandeln. Wenn es sich um einen Notfall handelt, müssen Sie in eine Tierklinik fahren.“ Schöne, volle Stimme, dachte Nick, sie passt zur imposanten Erscheinung.
„Aber der Herr Doktor kennt meine Stella und sie vertraut ihm, er wird bestimmt eine Ausnahme machen für uns. Sagen Sie ihm, Frau Professor Scholl sei hier, los, holen Sie ihn.“ Sie war es offensichtlich gewohnt, dass man ihre Anweisungen befolgte.
„Nein, das geht leider nicht.“ Freundlich und glasklar kam die Antwort.
„Aber warum nicht? Ein Arzt muss doch immer erreichbar sein für seine Patienten, ob Mensch oder Tier, dafür hat er seinen Eid abgelegt! Ich will ihn jetzt endlich sehen, ist das klar?“ Mittlerweile beteiligte sich der kleine Hund auch an der Diskussion und kläffte tüchtig mit.
Nick griff ein. „Guten Tag, meine Damen. Mein Name ist Nick Baumgarten, ich bin von der Kantonspolizei Aargau. Ich fürchte, Frau Scholl, Herr Beniak ist heute nicht zu sprechen. Bitte fahren Sie zu einer Tierklinik. Auf Wiedersehen.“
„Polizei? Was ist denn – hat er etwas angestellt? Haben Sie ihn etwa verhaftet?“ Die blonde Frau war plötzlich nicht mehr an der Leidensgeschichte ihres Schosshündchens interessiert, sondern an dieser unerwarteten, potenziell skandalösen Nachricht. „Sagen Sie, oder ist ihm etwas passiert? Oder dem netten Herrn Bär?“ Sie bot Nick ihre Hand. „Ich bin Sabine Scholl. Wie war doch gleich Ihr Name?“ Sie war sorgfältig geschminkt, jedes Haar ihrer blonden Mähne sass am richtigen Platz, und ihre Kleidung sprach von Golf, gutem Geschmack und viel Geld. Sie war mindestens fünfzig, vielleicht auch sechzig, aber ausser am Hals und an den Händen waren keine Falten zu sehen, und sie hatte die Figur einer jungen Frau.
„Ich kann Ihnen leider keine Auskunft geben, Frau Scholl.“ Er nahm sie am Ellbogen und führte sie sanft zu ihrem Jaguar. Dabei musste er aufpassen, dass die wilde Bestie auf ihrem Arm ihn nicht biss; er hätte dem Winzling ein solches Temperament nicht zugetraut. „Melden Sie sich nächste Woche in der Praxis, Frau Scholl, dann sollte alles wieder normal laufen. Auf Wiedersehen, und gute Besserung für Stella.“ Man konnte sehen, wie gern sie geblieben wäre. Mit einem leisen Schnurren trat der Jaguar mit seiner kostbaren Fracht den Rückzug an.
Nick wandte sich um und ging auf die Frau zu, die immer noch unter der Türe stand. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich bin Marketa Beniak, die Schwester von Pavel. Kommen Sie herein, Herr Baumgarten, Sie brauchen sicher einen Kaffee.“ Sie führte ihn in die helle Wohnküche im hinteren Teil des Hauses, machte für ihn einen Espresso und setzte sich dann mit einem grossen Cappuccino ihm gegenüber an den Tisch. „Ich weiss nur, das Guido tot ist, Herr Baumgarten, aber bitte sagen Sie mir, was geschehen ist. Pavel hat mich mitten in der Nacht angerufen und nur gesagt, Guido sei tot, dann hat er aufgehängt, und ich bin hergefahren sobald ich konnte.“
„Wo ist Herr Beniak jetzt?“ Nick wollte keine Details bekanntgeben, bevor er wusste, mit wem er es zu tun hatte.
„Er schläft und lässt sich nicht wecken. Es liegt
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