Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Praxishilfe, aber die sagt nichts. Sie mag die Polizei nicht, deshalb tut sie, als wisse sie nichts.“
„Was heisst das, Peter? Was genau hat sie gesagt?“ Angela mochte solche unpräzisen Aussagen nicht, das konnte Gody hören. Er unterstützte sie, indem er ebenfalls nachfragte und Peter praktisch dazu zwang, die Aussage von Carola Biedermann Wort für Wort wiederzugeben.
„Politisch korrekt oder nicht“, fasste er zusammen, „ich glaube einfach, dass eine Ehe zwischen Männern pervers ist, und wer das leugnet, sagt nicht die Wahrheit. Die Biedermann schützt ihren Chef aus irgend einem Grund, aber sie will nicht sagen wieso. Es ist definitiv etwas faul im Hause Beniak, das ist meine Meinung.“ Peter Pfister lächelte hämisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Man sah ihm an, wie gerne er seine Chefs provozierte.
Es fiel Gody schwer, sachlich zu reagieren, aber er hatte keine Lust auf moralische Diskussionen. „Danke für deine Einschätzung, Peter. Es ist sicher sinnvoll, wenn sich sonst noch jemand mit der Praxisassistentin unterhält; vielleicht fällt ihr übers Wochenende ja noch etwas ein. Und was wissen wir über Guido Bär, Angela?“
„Jahrgang einundfünfzig, geboren und aufgewachsen in Basel als einziges Kind von Alice und Rudolf Bär. Beide waren Chemiker und ihr gesamtes Berufsleben lang bei Hoffmann La Roche angestellt, der Vater in der Produktion, die Mutter in der Entwicklung. Gehobener Mittelstand mit gutem Einkommen. Der Vater starb vor etwa fünfzehn Jahren, die Mutter lebt in der Pflegeabteilung einer Seniorenresidenz in Basel. Guido studierte Geschichte und Anglistik in Zürich, wobei er zweimal ein Auslandsjahr einschaltete: einmal in London und einmal in Siena. Er schrieb für die Studentenzeitung, unter anderem ein selbstironisches 'Tagebuch aus dem Königreich', in dem er seinen Alltag in England beschrieb. Der Tages-Anzeiger wurde auf ihn aufmerksam, er schrieb immer häufiger Artikel und Reportagen statt für seine Lizentiatsarbeit zu forschen, und nach zwölf Semestern stieg er aus und wurde Journalist. Er bildete sich weiter, wechselte zweimal die Stelle und machte sich schliesslich selbständig, ungefähr zur Zeit als sein Vater starb. Ob und wie viel er erbte, weiss ich noch nicht genau; die Details seiner finanziellen Verhältnisse kann ich erst morgen oder übermorgen liefern. In den letzten fünfzehn Jahren hat er sieben Krimis veröffentlicht, und er scheint eine ganze Anzahl eingeschworener Fans zu haben, wenn auch nicht unter den Literaturkritikern oder Kulturredaktoren. Ich werde mit dem Verleger Kobel über Verkaufszahlen, Lesungen und ähnliches reden; er hat den Kirchenmaus-Verlag letztes Jahr geschlossen, nicht zuletzt weil das Geschäft dem Namen immer mehr Ehre machte. Guido Bär veranstaltete Schreibseminare im Bildungszentrum Herzberg, schrieb Drehbücher fürs Fernsehen und für Laientheatergruppen, arbeitete als Ghostwriter für einen bekannten Unternehmer und noch vieles mehr. Er war zwar kein Bestseller-Autor, scheint aber mit all seinen Aktivitäten ein genügendes Einkommen gehabt zu haben. Mich wundert nur, warum ihn die Kritik totgeschwiegen hat, aber das kriege ich heraus.“ Angela nahm einen dicken Filzstift und malte ein Strichmännchen auf eine der leeren Tafeln. „Diese Zeichnung zeigt, was wir bisher über unser Opfer wissen. Für das vollständige Bild brauchen wir seine Freunde und Feinde, seinen physischen und psychischen Zustand, seine Arbeiten, seine Pläne, seine Visionen. Die Blitze und Wolken, die ich hier zeichne, repräsentieren solche Aspekte. Bitte ergänzt das Bild, wenn euch etwas begegnet.“
Nick Baumgarten nahm Angela den Stift ab, zeichnete ein etwas kleineres Strichmännchen direkt neben Guido Bär und malte eine liegende Acht zwischen die beiden. „Paul oder Pavel Beniak war mit Guido Bär verheiratet und wohl die Person, zu der die engste Bindung bestand. Er erzählt die gleiche Geschichte wie der Landwirt, und auch er kann sich nicht erinnern, wann er den Hof von Hartmann verliess. Er hält daran fest, dass er Guido Bär mit der Maske auf dem Gesicht in der Praxis fand, angeschlossen an den Zylinder mit dem Narkosegas. Er versuchte, ihn mit Sauerstoff wiederzubeleben, weil das Narkosegas damit neutralisiert wird, aber es war offensichtlich zu spät. Er kann sich nicht vorstellen, wer seinen Lebenspartner so sehr gehasst haben könnte, dass er oder sie ihn umbrachte, und er weiss von keinen
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