Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Vorschlag zustimmte: Peter Pfister hatte sein Leben lang die Psychologie und ihre Exponenten lächerlich gemacht.
„Ciao, Leute.“ Mit Schwung und guter Laune trat Angela ins Büro. „Ich habe viel zu erzählen, und ihr sicher auch. Gegen den Hunger habe ich Sandwiches und Früchte mitgebracht.“ Sie legte ihre Einkäufe auf den runden Sitzungstisch, holte Gläser und Servietten, und die drei begannen mit dem Informationsaustausch. Um zwei Uhr waren die Pinnwände vollgezeichnet, aber im Grunde hatten sie mit ihren Recherchen nur das Bild des Mordopfers vervollständigt; eine konkrete Spur zu einem Mörder fehlte nach wie vor.
„Immerhin“, fasste Nick Baumgarten zusammen, „wissen wir mehr als gestern. Wir können nichts mehr tun heute Nachmittag, geht nach Hause und erholt euch. Angela, du könntest Steff Schwager ein bisschen aushorchen, versprich ihm, dass er die Obduktionsresultate als erster erhält. Er könnte uns weiterhelfen, da bin ich sicher. Und du, Peter, machst was wir vorhin besprochen haben. Es kann nur besser werden. Ciao.“
„Wie soll es denn jetzt weitergehen, Marketa? Ohne Guido ist mein Leben sinnlos.“
„Ich weiss es auch nicht, Pavel.“ Marketa legte ihrem Bruder den Arm um die Schultern und zog ihn an sich. Sie spürte, dass tröstende Worte völlig fehl am Platz waren; ihn festhalten in seinem Schmerz war alles, was sie tun konnte. Die nächsten Wochen würde sie für ihn sorgen, egal ob ihre Arbeit darunter litt. Dafür sorgen, dass er ass, dass er seine Kleider wechselte, dass er nicht im Slibowitz ertrank; und auch dafür sorgen, dass seine Wut und seine Trauer nicht sein Geschäft ruinierten. Die Anwaltskanzlei in Winterthur konnte auch eine Weile ohne Marketa Beniak auskommen.
Ohne dass sie es bemerkten, war eine junge Frau in die Küche getreten. „Darf ich?“ fragte sie und setzte sich den Beniaks gegenüber. „Ich bin Carola, die Praxisassistentin.“
„Hallo Carola, ich bin Marketa.“
„Die Schwester? Gut dass Sie da sind.“ Sie wandte sich an Pavel. „Wie geht es Ihnen, Doc?“
„Beschissen, wie denn sonst?“ Der Tierarzt verbarg sein Gesicht in den grossen Händen. „Lasst mich in Ruhe.“
Die beiden Frauen tauschten einen Blick, Marketa wies mit einer kleinen Kopfbewegung zum Garten. „Leg dich hin und versuch zu schlafen, Pavel. Später mache ich uns etwas zu essen.“ Als er nicht reagierte, stand sie auf und ging hinaus, gefolgt von Carola. Sie setzten sich auf die Treppe.
„Ich weiss einfach nicht was ich sagen soll, ich bin ganz durcheinander“, seufzte die junge Frau. „Er hat wahrscheinlich das Gefühl, er sei selbst tot. Hoffentlich tut er sich nichts – “
Marketa unterbrach sie. „Ich bleibe eine Weile hier und schütze ihn vor sich selbst. Wenn Sie sich um die Praxis kümmern können, schaffen wir das schon. Aber das Wichtigste ist jetzt, dass wir uns über den Mord Gedanken machen, Carola. Pavel ist verdächtig, und wir müssen jedes Detail finden, das ihn entlasten kann.“
Carola schnaubte. „Ich weiss, gestern war die Polizei bei mir und hat mich ausgefragt. Der Typ war echt ätzend, ein Schwulenhasser erster Güte und ein Obermacho noch dazu. Er ist überzeugt davon, dass der Doc schuldig ist. Pfister heisst er.“
„Kommissar Baumgarten hat mit uns gesprochen, vermutlich der Vorgesetzte. Ich glaube nicht, dass Pavel für ihn als Mörder feststeht, er ist ein offener Mensch. Trotzdem müssen Sie versuchen, sich an möglichst viel zu erinnern, was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist. Besuche, Telefongespräche, Notfälle, Todesfälle, alles. Herr Baumgarten oder seine Mitarbeiter kommen morgen wieder, damit sie mit Ihnen das Terminbuch durchgehen können.“
„Ob das etwas bringt? Herr Bär hatte doch nichts mit der Praxis zu tun, die meisten unserer Kunden kannten ihn nicht mal. Vielleicht begegnete ihm hie und da jemand vor dem Haus, aber sonst ...“
„Er wurde in der Praxis umgebracht, und das ist vielleicht kein Zufall.“ Marketa erzählte von den Gasflaschen, von der Maske und von Pavels Rettungsversuch, worauf Carola in Schluchzen ausbrach. „Er wars nicht, das schwöre ich“, stammelte sie, „er hat ihn doch so geliebt!“
Es fiel Marketa zu, der grossen, vernünftigen, robusten Schwester, den Schock für Pavel und seine Assistentin etwas zu mildern: sie schob eine halbfertige Lasagne in den Ofen, bereitete einen Salat zu, öffnete eine Flasche Wein. Ihre Tante in Bratislava sagte immer, man
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