Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
nächsten Tagen zu informieren, aber im Moment war alles noch streng geheim, und Pino hatte versprechen müssen, diesen Fall Peter zu überlassen. Allerdings hatte ihm niemand verboten, darüber nachzudenken und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Sein Jagdinstinkt war geweckt.
Nick und Angela führten die Vernehmung, während die anderen hinter der verspiegelten Wand zuschauten und mithörten, manchmal auch mitredeten durch die Knöpfe im Ohr der beiden Befrager. Trotz wiederholtem Nachbohren und unermüdlichem Kreisen um das Thema konnte sich der Tierarzt noch immer nicht an den genauen Ablauf des Abends erinnern, so sehr er sich auch bemühte. Es sei gut möglich, dass er im Stall neben der Kuh eingeschlafen sein, sagte er, aber er könnte auch nach Hause gefahren sein und im Auto, auf dem Parkplatz vor seinem eigenen Haus, oder sonst irgendwo am Waldrand, ein Nickerchen gemacht haben.
Hinter den Kulissen bestätigte Urs Meierhans der Staatsanwältin, dass man am Overall kleine Teile von Stroh gefunden habe, aber das bedeute nur, dass Beniak an diesem Tag in einem Stall gewesen sei. Seine Haare auf dem Beifahrersitz des Jeeps könnten zwar durchaus daher stammen, dass er sich hingelegt habe, aber man könne nicht feststellen, wann das geschehen sei.
Woran Pavel Beniak beharrlich festhielt, war, dass er das Haus wie immer durch die Praxistür betreten hatte, um seinen Arztkoffer abzustellen. Im Operationsraum brannte Licht, und als er es ausschalten wollte, fand er Guido Bär auf dem Boden liegend mit der Maske auf dem Gesicht. Er versuchte ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage wiederzubeleben, dann mit Sauerstoff, aber ohne Erfolg. Dann rief er die Polizei an, und alles andere wussten sie ja. Er beteuerte, dass es in seiner Praxis nur Inhalationsmasken für Kleintiere gab, nicht für Menschen. Der Mörder müsse die Maske mitgebracht haben, was logischerweise auf einen vorsätzlichen, geplanten Mord hindeute. Er wisse trotz Erinnerungslücken mit absoluter Sicherheit, dass er seinen Lebenspartner tot aufgefunden, aber nicht umgebracht habe.
„Können wir die Maske irgendwie zurückverfolgen?“ fragte Gody im Nebenraum. Es war der Griff nach einem Strohhalm.
„Vergiss es“, winkte Meierhans ab, „das haben wir alles gecheckt. Jedes Spital, jede Zahnarztpraxis, jeder Rettungswagen und die meisten Ärzte haben sie im Schrank. Es gibt drei grosse Marken, unser Fabrikat gehört dazu. Ich schätze, dass pro Jahr in der Schweiz hunderttausend Stück verkauft werden. Wir haben auch die Einbrüche in Arztpraxen unter die Lupe genommen, aber solche Artikel werden nicht mal als gestohlen gemeldet. Da geht es nur um Medikamente, Drogen oder teure Geräte; was die Diebe sonst noch mitlaufen lassen, wird abgeschrieben.“
Auf Nicks Frage, wer Guido getötet haben könnte, hatte Pavel Beniak keine Antwort. Er habe nichts zu tun mit den Leuten, die Guido aus seinem beruflichen Umfeld kannte, und nichts mit ihnen gemeinsam. Am Anfang ihrer Ehe sei er ab und zu zusammen mit Guido zu einem Anlass gegangen, aber er habe immer gleich einen Streit angefangen mit irgend einem der weltfremden und arroganten Kulturmenschen. Guido habe akzeptiert, dass er sich in dieser Gesellschaft nicht wohl fühlte. Nein, er kenne keinen von den Leuten, mit denen Guido beruflich zu tun hatte.
„Sagt Ihnen der Name Scheidegger etwas, Anatole mit Vornamen?“ fragte Angela.
„Wer soll das sein?“
„Er bringt manchmal einen kleinen Hund zu Ihnen, einen Chihuahua namens Stella.“
„Ja, natürlich, die kleine Stella, ebenso cholerisch und hypochondrisch wie ihr Frauchen. Aber die heissen doch Scholl, nicht Scheidegger, oder?“
„Die Dame heisst Scholl, das ist richtig. Aber ihr Begleiter heisst Scheidegger, und er kannte auch Guido Bär.“
Pavel Beniak zuckte mit den Schultern. „Schon möglich, ich habe keine Ahnung.“
Nick schob seine Unterlagen zusammen. „Gut, Herr Beniak, wir unterbrechen das Gespräch für eine Viertelstunde. Möchten Sie einen Kaffee?“
Als Angela mit der Tasse zurückkam, hatte der Tierarzt die Arme auf den Tisch gelegt und war eingeschlafen.
Cécile Dumont schüttelte den Kopf. „Nein, es ist zu wenig für eine Anklage. Wir könnten ihn maximal achtundvierzig Stunden in Untersuchungshaft behalten, aber nur wenn wir eine gute Chance haben, in dieser Zeit echte Beweise zu beschaffen.“
Es war halb zwei Uhr, sie sassen alle im Teambüro und tranken Kaffee. Urs Meierhans hatte ein paar
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