Schritte im Schatten (German Edition)
beliebigen Thema so extrem waren, dass sie einer Karikatur glichen.
Einen Nachmittag verbrachte ich mit meiner Mutter. Sie wohnte bei ihrer alten Freundin Mrs. Colborne, und wir begegneten uns mit der uns eigenen Höflichkeit, und unter dieser Oberfläche lagen Welten von Kummer.
Meine beiden Kinder, John und Jean, waren in Internaten am Kap.
Ich besuchte Lord Malvern, den Premierminister der berühmten Föderation, und sagte ihm, dass ich gern nach Nordrhodesien und Njassaland reisen würde; Garfield Todd hatte mir erklärt, dass ich dazu seine Erlaubnis brauchte. »Für wie lange willst du dorthin?«, und als ich sagte, für ein oder zwei Wochen: »Ich nehme an, in dieser kurzen Zeit kannst du nicht viel Schaden anrichten.« Ich wusste immer noch nicht, dass er es gewesen war, der mich zur »unerwünschten Person« erklärt hatte.
Diese ganze Sache hatte einen gewissen Charme, etwas Amateurhaftes: Der Grund dafür ist, dass ich weiß war. Wäre ich schwarz gewesen, dann hätte der südafrikanische Geheimdienst keine Sekunde gezögert, mich zu deportieren. Wäre ich schwarz gewesen, mit meinen Ansichten, wäre ich auf der Flucht gewesen, hätte mich verstecken müssen, wie die Männer von den Nationalkongressen, oder vorgeben müssen, ich wäre ein Dienstmädchen.
Das Beste an dieser Reise war das Alleinsein im Busch, durch den ich stundenlang fuhr und der einzige Mensch auf der Straße war; gelegentlich machte ich halt, nur um am Rande der Unendlichkeit zu sitzen und zu dem weiten Himmel emporzuschauen. Einmal, auf der Straße zu dem damals noch im Bau befindlichen Karibadamm, sah ich vor mir am Straßenrand einen scheinbar defekten Wagen. In ihm saßen zwei amerikanische Anthropologen, die ich am Abend zuvor in Salisbury kennengelernt hatte. Ich fragte, ob ich ihnen helfen könne. Sie waren blass, sie zitterten, sie waren total verängstigt. Was war passiert? Es sei diese Weite, sagten sie. Sie konnten sie nicht ertragen. Sie waren nicht imstande, sie zu betrachten. Ich stand neben ihnen, während sie zusammengekauert in ihrem Wagen saßen, und ich ließ den Blick über diese grandiose Leere und den fernen blauen Himmel darüber schweifen und fragte, wovor sie sich fürchteten. Aber für sie steckte diese Landschaft voller Bedrohungen. Sie baten mich, hinter mir herfahren zu dürfen, damit ihr Wagen nicht der einzige auf der Straße war. Was sie dann auch taten, bis zur Abzweigung zum Karibadamm, wo sie sich mit kläglichem Winken und Lächeln verabschiedeten und dann langsam allein weiterfuhren.
Auf meiner Reise fuhr ich durch einen Wald, der wunderbarer war als alles, was ich je irgendwo gesehen habe, hohe, edle Bäume und sauberes gelbes Gras, überall Vögel und andere Tiere, sogar Elefanten, denn ich sah einen aus der Nähe auf einer kleinen Anhöhe. Dreißig Jahre später war alles verschwunden, der Wald war verschwunden, und es gab nur noch zerstörte Bäume und Erosion.
Der Abstecher nach Nordrhodesien war nicht nur wegen der gegenwärtigen »Unruhen« aufregend. In jener Zeit reiste niemand dorthin, der nicht musste – Bergbau-Ingenieure, Beamte, Bergleute auf Arbeitssuche. Nordrhodesien war der Kupfergürtel, Lusaka spielte kaum eine Rolle. Damals wie heute lebten dort die meisten Schwarzen in den Städten, nicht in Dörfern im Busch, im Gegensatz zu Südrhodesien und – heute – Simbabwe, wo die meisten von ihnen nach wie vor Dorfbewohner sind. Es war ein rauer Ort, an dem viel getrunken wurde, eine Art urbaner Wilder Westen. Der einstündige Flug nach Lusaka brachte mich aus einem modernen und entwickelten Land in ein rückständiges. Ganz Nordrhodesien stand in Flammen, die Menschen randalierten, warfen Steine auf Weiße in Autos, steckten kleinere Gebäude in Brand – die jämmerlichen Waffen von Leuten ohne Macht. In den alten Zeiten – in den dreißiger und vierziger Jahren – war der bekannteste Mann, von dem ständig in den Nachrichten die Rede war, Roy Welensky gewesen, der Führer der Gewerkschaft der Bergarbeiter – der weißen Bergarbeiter. Er war laut, kämpferisch und ein Schwarzenhasser. »Ein ungeschliffener Diamant«, war die Ansicht der Weißen in Südrhodesien. Damals hielt er sich mit seinem Rassismus etwas zurück, um sich der Zeit anzupassen, aber die Schwarzen hassten ihn. Er war zum Premierminister von Nordrhodesien ernannt worden, einer der Säulen der Föderation. Das war ein Streich von so brillanter Dummheit, dass man selbst heute noch nur den Kopf
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