Schritte im Schatten (German Edition)
denen die meisten Besucher keine Ahnung hatten, dass es sie gab. Es war die Zeit, in der Südafrika jeden, der ihm kritisch gegenüberstand, zur »unerwünschten Person« erklärte, und wir scherzten, dass man mich sofort wieder in das Flugzeug verfrachten würde, mit dem wir auf dem Jan-Smuts-Flughafen eingetroffen waren. Und genau das geschah bei meiner Ankunft. Ich hatte Paul gebeten, im Fall, dass ich vom Geheimdienst festgehalten werden würde, einfach so zu tun, als ob er mich nicht kennen würde. Als ich jedoch von den Polizisten abgeführt wurde, winkte er und rief: »Wo bringt man dich hin?« Ich gab vor, ihn nicht zu kennen. Die lange erfahrene Sicherheit hat die Briten unfähig gemacht zu verstehen, wie Menschen ohne Gesetz leben müssen. Damals machte in den Zirkeln der Kommunistischen Partei der Witz die Runde, dass, wenn ein britischer kommunistischer Fotograf, Journalist oder Künstler unter dem Schutz der Kommunistischen Partei in irgendein Land mit einer repressiven Regierung – zum Beispiel Griechenland – reiste, der Fortgang seiner Reise an der Spur erkennbar war, die die Verhaftung seiner Kontaktpersonen zog, also genau jener tapferen Leute, die willens waren, ihm zu helfen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Noch immer sieht man im Fernsehen Interviews mit Leuten, die anonym bleiben wollen, weil sie Verhaftung oder Repressalien zu befürchten haben. Und da erscheinen dann diese Leute mit ein paar Quadratzentimetern flimmernder Blende in der Mitte ihrer Gesichter, die die Gewähr bieten, dass sie verhaftet oder sogar ermordet werden, sobald das Programm ausgestrahlt wird. Aber Journalisten und die Programmmacher des Fernsehens haben das
Recht
, zu tun, was ihnen beliebt.
Dass ich aus Südafrika hinausgeworfen wurde, regte mich nicht sonderlich auf, weil mir dieses Land emotional nichts bedeutete. Ich wurde von zwei Beamten zu dem Flugzeug zurückgebracht, mit dem ich gekommen war, und auf dem Rückflug saß ich allein für mich, während Leute mich ansahen und sich Gott weiß was dachten.
Nach Salisbury zurückgekehrt, stellte ich den Journalismus, ohnehin nicht meine Lieblingsbeschäftigung, hintenan und saß lieber auf Veranden und klatschte. Dann kam ein Anruf aus dem Büro des Premierministers mit der Frage: »Möchten Sie nicht Garfield Todd interviewen?« Der Gedanke war mir überhaupt nicht gekommen. Weshalb auch? Ich war auf ganz andere Informationsquellen aus. Trotzdem begab ich mich umgehend zum Büro des Premierministers, und da war er, Garfield Todd, ein hochgewachsener, gut aussehender Mann, der herumstapfte wie Abraham Lincoln; offenkundig irritierten ihn Wände und Decken, er war lieber im Freien. Etwa drei Stunden verbrachte ich mit ihm. Wie gewöhnlich befand ich mich in einer von Grund auf falschen Position. Garfield Todd, eine edle Seele, war in die Zentralafrikanische Föderation verliebt, diese noble Idee, die sämtliche Realitäten ignorierte. Er sagte: »Ich habe dich hereingelassen …«, oder vielmehr: »Ich habe meine Hand schützend über dich gehalten, mein Kind« – er war ein Missionar –, und zwar deshalb, weil er wollte, dass ich nette Dinge über Südrhodesien und die Föderation schrieb. Die ausländischen Journalisten ließen sie immer schlecht wegkommen. Er habe seine Presseleute angewiesen, mir alle Wege zu ebnen, weil er der Überzeugung sei, wenn ich »mit eigenen Augen« sähe, was vor sich gehe, dann würde ich beeindruckt sein und nette Artikel schreiben. Ich erklärte ihm, dass ich im Land aufgewachsen sei, das schließe aus, dass ich »nette Artikel« darüber schreiben könne. Was kann außerordentlicher sein als das, was man nicht hört, nicht »in sich aufnimmt«? Weil es mir
gefühlsmäßig
unmöglich war, mich von der Landschaft ausschließen zu lassen, in der ich aufgewachsen war, konnte ich nicht hören, was er sagte. Tatsache war, dass ich von Lord Malvern (unserem damaligen Hausarzt Doktor Huggins) zur »unerwünschten Person« erklärt worden war, als ich Südrhodesien acht Jahre zuvor verlassen hatte. »Ich lasse nicht zu, dass du meine Eingeborenen aufwiegelst.« Aber man hatte mir nicht gesagt, dass ich unerwünscht war. Es war ihnen sehr peinlich, als ich Wochen später mit einem Rechtsanwalt im Rhodesia House am Strand erschien. Sie machten Ausflüchte, sie wanden sich, sie logen, mussten aber schließlich zugeben, dass ich unerwünscht war, und sagten: »Zum Teufel, Sie haben uns dazu gezwungen.«
Nachdem Garfield
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