Schritte im Schatten (German Edition)
ich ein ungutes Gefühl haben könnte, weil es Dir nicht gefällt. Ich habe ohnehin das Interesse daran verloren. Ich glaube, wenn ich es zu Ende schreiben würde, könnte es ein recht interessanter kleiner Roman sein, der etlichen Leuten Spaß machen würde; aber mir scheint, dass sein Grundton nicht mit dem übereinstimmt, was eine sehr große Anzahl von Menschen fühlt, die seine natürlichen Leser wären. Ein solches Buch, eine Art intellektueller Spaß, ist nur sinnvoll, wenn es vor einem Hintergrund aus akzeptierten moralischen Werten spielt. Wo ein solcher Hintergrund fehlt, ist es vielleicht besser, es bleiben zu lassen. Ich glaube, in einer Hinsicht ist es ein Jammer, dass dieses Buch nicht fertig geschrieben wird. Aber ein Stück polemische Literatur, selbst wenn es, oberflächlich betrachtet, frivol ist, macht die Hälfte der Zeitschrift aus, in der es veröffentlicht wird, und der
New Reasoner
ist eindeutig nicht diese Zeitschrift.
Aber natürlich sind unsere unterschiedlichen Einstellungen in dieser Sache Reflexionen eines wesentlich tief greifenderen Unterschieds, weshalb es mir sehr schwer fällt, diesen Brief zu schreiben …
Aber vorher zu den Vorschlägen in Deinem, glaube ich, zweiten Brief. Mir gefällt der in Betracht gezogene Artikel von Alex Werth. Ich wäre interessiert an einem Text von Hervé. Ich würde sehr gern einen Teil von
Der Mensch lebt nicht von Brot allein
lesen, aber Du musst Dich vorher vergewissern, dass er nicht schon übersetzt und vollständig veröffentlich worden ist – es würde mich überraschen, wenn er nicht hier schon sehr bald auf den Markt käme. Diese Art von Büchern wird immer rasch publiziert. Wie zum Beispiel
Tauwetter
. Und im Radio haben sie die
Visitors
sehr schnell gesendet.
Ich finde, Autobiografie ist eine gute Idee. Ein wirklich wahrheitsgetreuer Text über Erfahrungen mit der C.P. zu einem stürmischen Zeitpunkt wäre von unschätzbarem Wert, aber ich wäre sehr überrascht, wenn Menschen bereit wären, wahrheitsgetreue Schreiber oder Leser zu sein. Der instinktive Schutzschild gegen die Aufrichtigkeit ist sehr stark.
Ich glaube, es wäre interessant, von jemandem wie Kingsley Amis eine ernsthafte Beschreibung seiner Erfahrungen mit der C.P. zu haben. [16] Sie wäre typisch für die Erfahrungen von Hunderttausenden von Leuten mit der C. P. Aber diese zornigen jungen Männer haben nichts Philosophisches von sich zu geben. Weshalb sollten sie auch? Sie sind alle Künstler, keine Philosophen.
Aber nun, mein lieber Edward – da sind eine Menge Punkte, vor allem in Deinem mittleren Brief.
Dieses Gedicht,
Plea for the Hated Dead Woman
[17] , wurde vor zehn Jahren geschrieben und hat nicht das Geringste mit irgendeiner politischen Situation in neuerer Zeit zu tun. Es ist aus einer Stimmung heraus entstanden, als ich meine Mutter hasste.
Was meinen jüngsten Roman,
Retreat to Innocence
[18] , angeht, so finde ich, dass es ein schlechtes Buch war, weil ich zu keinem wesentlichen Thema Stellung bezogen habe, weil ich mir gegenüber nicht ehrlich war, obwohl ich mir einbildete, es zu sein, und deshalb ist es im Kern schwach und sentimental. Ich stehe nicht mehr dazu. Obwohl es einige gute Stellen enthält.
Aber was ich zu sagen versuche, ist komplizierter als all dies:
Wenn ich Deine Briefe lese, ist mir, als wärest Du auf irgendeine Art endgültiger Stellungnahme von mir aus; als wolltest Du etwas von mir, und ich frage mich, weshalb? Und was ist es?
Aber vor allem: Unsere Einstellungen sind sehr unterschiedlich.
Ich weiß sehr wohl, dass ich so reagiere, wie ich es tue, weil ich (wenn ich dieses Wort gebrauchen darf, das ich so sehr hasse) eine Künstlerin bin und all die Erfahrungen und Emotionen ausgeschöpft habe, die ich als Künstlerin auf die altmodische Art aus dem Kommunismus ziehen konnte. Jemand hat einmal wegwerfend gesagt, Leute verließen die C.P., weil sie ihnen langweilig werde. Du weißt – Frank Pitcairn, seinen wirklichen Namen vergesse ich immer wieder. Aber er hat das gesagt, weil er ein Künstler ist.
Ich werde austrocknen und niemals mehr ein Wort schreiben, wenn ich nicht aus der Zwangsjacke dessen herauskomme, was wir alle so lange Zeit gedacht und gefühlt haben.
Aber dies ist keine politische Einstellung, und es ist der Grund dafür, weshalb ich nicht glaube, dass Du von mir eine Klarstellung verlangen darfst.
Und ich habe Dich im Verdacht, gleichfalls ein Künstler zu sein, und wenn es so ist, solltest Du
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