Schritte im Schatten (German Edition)
es schlecht war, wenn Schriftsteller nur mit Schriftstellern zusammenkamen, Maler mit Malern, Architekten nur mit Architekten und so weiter. Er hatte recht. Es sollte einen zentralen Treffpunkt geben, wie er in Paris existierte, wo es Cafés gab, in die man in dem Wissen gehen konnte, dass man dort Künstler, Schriftsteller, Denker treffen würde. Aber nicht zum ersten Mal – und ich bin sicher, auch nicht zum letzten – stand uns die Größe Londons im Weg, das nie so sein kann wie Paris, das wesentlich kompakter und konzentrierter ist und wo das Dôme, das Flore und das Deux Magots nur zehn Minuten voneinander entfernt sind. Und dann gab es in London die Sperrstunde: Die Pubs schlossen um elf. Aber John fand, es wäre einen Versuch wert. Er mietete einen großen Raum über einem Pub, nur eine Minute vom Oxford Circus entfernt – sicherlich zentral genug –, und lud eine Menge sehr unterschiedlicher Leute ein, um diese »inzestuösen« Barrieren niederzureißen. Alle kamen. Der Raum war voll, summte, pulsierte, vibrierte. Was für eine gute Idee, dachten wir alle, wie klug von John Berger, auf diese Idee zu kommen, und natürlich musste es noch massenhaft solche Zusammenkünfte geben. Und dann rief John uns zur Ordnung und hielt eine Rede. Es ging um irgendeine gute Sache, etwas Politisches. Und sofort konnte man beobachten, dass die Maler, nach kurzem Blickkontakt untereinander, sich auf den Weg zur Tür machten. Sie gingen als Erste. Wie Leute bemerkten: »Die hatten schon immer Verstand.« Und dann gingen auch die anderen, einzeln und in Gruppen, während John tapfer weiterredete. Was war die gute Sache? Wer weiß das heute noch, wen kümmerte es damals, denn wir gingen. »Nicht noch einmal«, sagten die Leute. »Das ist uns schon zu oft passiert …« Und so endete ein tapferer Versuch, aber wenn die Politik nicht ins Spiel gekommen wäre, säßen wir vielleicht alle heute noch dort …
Das gesellschaftliche Leben der neuen Linken
Das war lebendig. Die Neuen Linken eröffneten ein neues Café und vergnügten sich damit, es zu streichen und zu renovieren; es sollte das Zentrum eines neuen politischen Lebens werden; aber Idealismus ist kein Ersatz für Geschäftssinn, und es ging pleite. Da war Jimmy der Grieche, der in einem riesigen Kellerlokal in der Frith Street billige und reichliche Mahlzeiten servierte, in dem es von neuen Genossen nur so wimmelte, die Tag und Nacht über Politik diskutierten – und das Lokal existiert immer noch. Verschiedene billige Räumlichkeiten wurden angemietet, in der die
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und die mit ihr zusammenhängenden Organisationen untergebracht werden konnten, und sämtliche wurden von den Getreuen gestrichen, und sie fühlten sich sehr wohl dabei. Genau wie wir es damals in Salisbury getan hatten. In diesen Räumlichkeiten, in den Cafés und den billigen Lokalen saß die neue Jugend und redete. Reden ist immer die Hauptsache bei einem neuen Aufbruch. Ich nahm an alledem keinen Anteil, aber Clancy tat es, und von ihm erfuhr ich, wie die Dinge liefen.
1957 starb meine Mutter. Folgendes war passiert: Nachdem sie es nicht geschafft hatte, bei mir ein Zuhause zu finden, war sie nach Südrhodesien zurückgekehrt, wo sie bei dieser und jener alten Freundin gewohnt hatte, manchmal mehrere Wochen lang, aber sie wusste, dass dies nicht ihre Zukunft sein konnte. Dann teilte sie meinem Bruder mit, dass sie kommen und wieder in Marandellas (jetzt wieder Marondera) leben würde, um in seiner Nähe zu sein. Sie erbot sich, ihr Leben ihm und seinen Kindern zu widmen: »Wozu bin ich denn sonst noch gut, wenn ich nicht anderen von Nutzen sein kann?«
Meine Mutter lebte in einem anständigen und behaglichen Altersheim. Sie hatte einen kleinen Garten. Gegen dieses Arrangement, das sie selbst getroffen hatte, gab es nichts einzuwenden. Aber sie hatte nichts zu tun. Sie war eine tatkräftige Dreiundsiebzigjährige. Nachmittags und abends spielte sie Bridge und Whist – sie war eine vorzügliche Spielerin – und versuchte sich einzureden, dass sie sinnvoll beschäftigt war. In Wirklichkeit wartete sie nur auf eine Nachricht von ihrem Sohn: Monica wächst alles über den Kopf, bitte komm und wohne bei uns, und kümmere dich um die Kinder.
Und dann hatte sie einen Schlaganfall. In ihr Zimmer kam der Priester – sie gehörte der Church of England an –, um ihr die Letzte Ölung zu verabreichen. Sie versuchte sich aufzurichten, versuchte – mit ihrer gelähmten Zunge –
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