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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Das sind Menschen, denen ich diese fürchterlichen Dinge antue, dachte er. Was tue ich? Ich sollte die Menschheit doch lieben. Er kündigte bei der Zeitung und informierte seine Freunde davon, mit all der Bußfertigkeit eines Verbrechers, der entschlossen ist, sich zu bessern.
    Die Journalisten, die für diese Skandalblätter arbeiteten, wurden nicht gerade bewundert, aber ich glaube nicht, dass wir sie wegen ihrer Lügen, ihrer Unehrlichkeit und ihrer Grausamkeit gegenüber ihren Opfern gehasst und verachtet haben, wie anständige Leute das heute tun. Auf jeden Fall hatten sie damals das Ausmaß an Scheinheiligkeit, wie wir es heute kennen, noch nicht erreicht. Die Dinge haben sich eindeutig zum Schlechteren gewandelt. Es wäre hübsch, wenn man berichten könnte, dass Murray praktisch über Nacht zu dem berühmten Journalisten wurde, der er jetzt ist, aber in Wirklichkeit musste er vorher eine schwere Zeit durchmachen und sich mit dem Lohn der Tugend begnügen. Ein Roman, den er schrieb, geriet in Konflikt mit dem Gesetz gegen üble Nachrede und musste zurückgezogen werden. In seinem Leben trat eine große Flaute ein. Eine Zeit lang verdiente er sich sein Geld als Lachs-Putcher im Mündungsgebiet des Severn. Ein Putcher ist ein Mann, der die Lachse aus den Reusen holt, wenn die Ebbe einsetzt. Er wohnte in einem winzigen Haus, aß, wie er sich beklagte, viel zu viel Lachs und servierte seinen zu Besuch kommenden Freunden köstliche Lachsmahlzeiten. Die Abenteuersaga wurde fortgesetzt, mit Shoulders Moresby als Rittersknappe. Wahr oder unwahr, wen interessiert das? Von den Geschichtenerzählern dieser Welt darf man keine langweiligen Genauigkeiten erwarten.
     
    Eine Szene: Mir gegenüber, an einem niedrigen Tisch voller Aschenbecher, Zigaretten und Teetassen, sitzt Betty, eine unscheinbare junge Frau mit bemüht gerunzelter Stirn und ängstlichen Augen. Dennoch steckt auch ein wenig Selbstgefälligkeit in ihr, denn sie hat, ganz die Rolle der besorgten Tante mimend, Tessa Sayle, Joan Rodker und andere an ihrem Gängelband. Auf dem Schoß umklammert sie eine weiße Handtasche, die aussieht, als wäre sie auf einem Kirchenbasar gekauft worden. Sie ist die Tochter eines Bischofs; Bischofstöchter scheinen weit häufiger als die meisten von uns in den Sümpfen moralischer Abenteuer herumzuirren.
    Wenn es bei Babu Mohammed und Murray Sayle, die beide jünger sind als ich, keine Rolle spielt – weil wir Freuden und farcenhafte Verschwörungen teilen –, machen mich die zehn Jahre, die ich älter bin als Betty, ihr gegenüber zu einer matronenhaften Ratgeberin. Wie Tessa, wie Joan Rodker und wer weiß wie viele andere sitze ich oft da und höre mir ihre Jammergeschichten an.
    »Sehen Sie, Mrs. Lessing, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, ich weiß nicht, was ich denken soll, ich kann nicht schlafen, ich wälze mich herum, weil ich schwarze Männer mag, seit ich zu diesem Ball für das Colonial Advancement gegangen bin und dann mit Mahmoud nach Hause. Ich habe mich mit allem abgefunden, Mrs. Lessing. Er pflegte zu sagen, so, und jetzt fahr übers Wochenende nach Hause, Betty, ich will dich nicht hier haben, mir ist nach einem Jungen zumute. Ja, das ist ein Teil ihrer Kultur, das weiß ich, und so habe ich nur gesagt, ich will dir nicht im Weg stehen, und bin zu meinen Eltern gefahren, aber sie machen sich solche Sorgen. Sie sagen: Hast du auch an die Probleme gedacht, die eine Ehe zwischen verschiedenen Rassen mit sich bringt? Aber ich kann ihnen nicht sagen, dass ich nicht im Traum an eine Ehe denke. Ich bin noch sehr jung, Mrs. Lessing, ich bin erst zweiundzwanzig, da brauche ich mir noch keine Gedanken über die Ehe zu machen, was meinen Sie? Aber jetzt habe ich mich so an Mahmoud gewöhnt, und er ist fort, um in Sansibar gegen die Briten zu kämpfen – gegen uns –, was soll ich tun? Weiße Männer interessieren mich einfach nicht mehr.«
    »Haben Sie einmal daran gedacht, sich einen anderen Schwarzen zu suchen? Sie könnten es mit einem weiteren Ball des Colonial Advancement versuchen.«
    »Oh nein, ich weiß, dass Sie es gut meinen, aber ich liebe Mahmoud. Und das war es, was ich Sie fragen wollte: Finden Sie, dass es richtig war, dass ich einen Flug dorthin gebucht habe?«
    »Aber, Betty«, sage ich, und das ist das, was sie ohnehin bereits weiß, »er hat eine neue Frau und eine Freundin obendrein, und sie sind Anführerinnen der ›Militanten Frauen‹. Und sie sind beide bildhübsch.«
    »Ja,

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