Schritte im Schatten (German Edition)
geringste Ähnlichkeit mit den übrigen Autoren von
Declaration
, die Kämpfernaturen waren und sich für soziale Zusammenhänge interessierten; sie waren schüchtern, empfindsam, sie interessierten sich für innere Erfahrungen und kannten sich in der mystischen und religiösen Literatur aus.
Colin Wilson hatte
Der Outsider
geschrieben, das vom literarischen Establishment als überaus bedeutsames, ja sogar geniales Buch gepriesen wurde. Wenn es je am Himmel der Literatur einen aufsteigenden Stern gegeben hat, dann war es Colin Wilson. Doch dann setzte eine Reaktion ein, als ob die Leute, die ihn in den Himmel gehoben hatten, dachten: Damit kommst du kein zweites Mal durch. – Aufs Ganze gesehen ist es keine gute Sache, wenn ein erstes Buch hochgelobt wird, das hat immer irrationale Reaktionen zur Folge. Wenn jenes erste (gute) Buch von Wilson zu gute Kritiken bekommen hat, dann wurden die folgenden Bücher zu Unrecht ignoriert oder verrissen. Zumindest zwei – ich habe nicht alle gelesen – hätten empfohlen werden sollen; das eine war
Rasputin and the Fall of the Romanovs
, das Rasputin vom seinem Ruf als eine Art hysterischer Scharlatan befreite und ihn in einen Kontext mit einer Tradition von russischen Schamanen und Heilern brachte. Das andere war
The Great Beast
, ein Buch über Aleister Crowley, ebenso ausgewogen und vernünftig.
Und da standen wir. Die linken Politiker, sehr modern. Die Metaphysiker, sehr unmodern, aber sie sollten zehn Jahre später der letzte Schrei sein. Und ich, eine Frau und zehn Jahre älter als die anderen.
Kurz und nebenbei: Es ist betrüblich, dass das, was geschrieben wurde, Dauer hat, während das, was nur gesagt wird, oft unbemerkt bleibt. Etwas Geschriebenes wird nachgedruckt, liefert Stoff für Doktorarbeiten. Jahrzehnte später wird man mit Zitaten konfrontiert. Es liegt einem wie ein Mühlstein um den Hals, und man kann nichts dagegen tun. »Aber auf Seite 123 haben Sie gesagt …« Mir gefällt das meiste, was ich in meinem Beitrag zu
Delcaration, A Small Personal Voice
gesagt habe, aber andere Dinge missfallen mir sehr. Was ist das für ein Unsinn, den ich über Camus, Sartre, Beckett und Genet geschrieben habe? Ich bin über mich selbst entsetzt. Ich schrieb Unsinn über China und die Sowjetunion. Ich bin bestürzt über meine Sentimentalität, weil ich erklärt habe, mir sei nie jemand begegnet, der auf den Knopf drücken könne, der das auslösen würde, was wir damals »die Bombe« nannten. Heute scheint mir, dass jeder es tun würde, sofern er nur die richtige Programmierung erhalten hat. Immerhin, es war ein Artikel, der für seine Zeit in Ordnung war.
Eine Sache, über die ich in
Declaration
geschrieben habe, gilt noch heute – und zwar in verstärktem Maße. Ich beklagte mich über die Fremdenfeindlichkeit und Engstirnigkeit von Großbritannien. Manchmal, wenn ich von einer Auslandsreise zurückgekehrt war, habe ich die Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften wie das Öffnen einer Tür zu einem Zimmer voll sehr intelligenter, streitsüchtiger Schulkinder empfunden. Neuigkeiten übereinander gelten als wichtig. Es können Kriege und Hungersnöte toben, Regierungen schwanken, aber worüber die Briten schreiben, ist, dass eines der Kinder sich eine neue Frisur zugelegt hat oder sich missmutig weigert, mit einem anderen zum Lunch zu gehen. Schon mein Vater pflegte sich über die Nabelschau der Briten zu beklagen; sie war der Grund dafür, dass er das Land 1919 und 1924 verließ.
Die zornigen jungen Männer waren nichts als eine Erfindung der Zeitungen, der Medien. Dieses Phänomen rollte weiter und weiter, Jahr um Jahr, gewann an Schwung, und die ganze Zeit über war ich verblüfft: Niemandem schien aufzufallen, dass diese in Wirklichkeit nur sehr wenig gemeinsam hatten. Die Medien gleichen ihrer Haltung nach den Wissenschaftlern von gestern, denn die heutigen Wissenschaftler haben begriffen, dass sie, wenn sie ein Experiment durchführen, ein Teil dieses Experimentes sind und dessen Resultate allein durch den Umstand ihrer Existenz beeinflussen; die Medien können eine Story erfinden, einen Skandal, ein Ereignis, aber dann so tun, als hätten sie nichts damit zu schaffen, als wäre das Ereignis oder der Ruf eines Menschen eine spontane Sache, deren Resultate sie nicht beeinflusst oder nicht erfunden haben. »Das öffentliche Interesse an … dauert an und nimmt weiter zu.« Natürlich tut es das, weil die Journalisten das Feuer anfachen und sich Anfälle
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