Schritte im Schatten (German Edition)
die wahren Erlebnisse auf, das Wissen um Gut und Böse, man zerreißt seine Fahrkarte, man verzichtet auf den befruchtenden Schmerz.
But far within him something cried
For the great tragedy to start.
The pang in lingering mercy fall
And sorrow break upon his heart.
Das stammt von dem Dichter Edwin Muir, der, wie so viele Leute seiner Zeit, eine Art Roter war, und ich habe diese Zeilen einem Abschnitt von
Martha Quest
vorangestellt, dem ersten Band der Reihe
Kinder der Gewalt
. Und ganz zu Anfang von
Sturmzeichen
, dem dritten Band, steht dieses Zitat:
Es gibt keine Begeisterung für das Absolute ohne den damit verbundenen Wahnsinn des Absoluten. Sie ist immer mit einem gewissen Überschwang verbunden, an dem sie anfangs zu erkennen ist und der immer auf das Wachstumszentrum zusteuert, den Brennpunkt der Zerstörung, auf die Gefahr hin, dass es Leuten, die nicht gewarnt worden sind, so vorkommt, als wäre die Begeisterung für das Absolute dasselbe wie eine Begeisterung für das Unglücklichsein.
Das stammt von Louis Aragon, einem französischen Kommunisten, der es auf verstockte Art blieb und einer weitverbreiteten Mischung entsprach, weil er Unsinn über den Kommunismus und die Sowjetunion redete, während ihn die Inbrunst seines Glaubens zu originellen Gedanken über andere Themen anregte.
Jetzt betrachte ich diese Zitate und wundere mich über mein jüngeres Selbst – und schaudere, denn ich kann noch nicht darüber lachen. Die Wahl der Verse von Edwin Muir bedeutete, es war mir klar, ich wollte, dass mein Herz vor Kummer brach – aber gewiss hätte ich dazu doch verstörter sein müssen, als ich es tatsächlich war? Und war mir nicht klar, dass das Gleichsetzen des
Wachstumszentrums
mit dem
Brennpunkt der Zerstörung
auf einen ziemlich erbärmlichen Geisteszustand hindeutete? Es war mir keineswegs klar. Natürlich, wenn man Kommunist ist – und auch für viele, die keine Kommunisten sind –, musste ein Wachstumszentrum etwas Zerstörerisches an sich haben, denn man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerschlagen, und eine Revolution geht – das versteht sich von selbst – dem Paradies unabdingbar voraus.
Das Problem ist, dass man zwar unter Umständen etwas deutlich genug erkennt, um relevante Zitate zum Erhellen von Teilen einer Geschichte zu benutzen, aber doch nicht eben so deutlich, dass es einen ängstigt, was man da erkannt hat. Man hat dann etwas nicht in seiner Gänze begriffen, wenn man den Weg des eigenen Begreifens nicht in seiner vollen Länge durchmessen hat.
Diese Einstellung, diese Geisteshaltung hinsichtlich des Leidens, die unbewusste Überzeugung, dass man, um das Leben zu verstehen – oder Bescheid zu wissen –, in schmerzliche Erfahrungen eintauchen muss, tritt außer in politischen auch in anderen Bereichen zutage. Ich habe viel zu lange gebraucht, um zu begreifen, was es damit auf sich hatte, dass Leute Kommunisten wurden, aber wenig später kam der Gedanke: Einen Moment, wirf noch einmal einen Blick auf das, was du geschrieben hast – und dann auf das, was andere schreiben –, denn oft genug bedeutet ein Roman oder eine Geschichte die Chronik eines gewollten Eintauchens in extreme Erfahrungen. Man nehme zum Beispiel meinen Roman
Der Sommer vor der Dunkelheit
. Darin wird die Protagonistin, Kate Brown, eine Frau in mittleren Jahren, in einem kritischen Moment porträtiert: die Kinder aus dem Haus, ein gleichgültiger Ehemann, sie braucht eine neue Perspektive oder wenigstens ein neues Verständnis – und sie lässt zu, dass sie von ihren eigenen hohen Maßstäben abgeht, abrutscht in ein schlampiges und vorzeitiges (und vorübergehendes) Alter, sich eine Art Zusammenbruch gestattet; aber ist dieses Wort, das wir so leichtfertig benutzen, wirklich angemessen, wenn Kate so gekonnt ihrer eigenen, inneren Wachstumslinie folgt, obwohl sie äußerlich scheinbar in die Brüche geht? Indem sie zulässt, dass die Formen des gesellschaftlichen Lebens zerfallen, gelangt Kate zu einem Verständnis ihrer selbst. Was nur fair ist: Um interessant zu sein, muss ein Roman irgendeine Art von Brennpunkt haben, und die meisten Romane berichten über eine Konzentration von irgendwelchen Erfahrungen. Zu der Zeit, als ich jenen Roman schrieb, 1971 oder 1972 , war man noch von der Überzeugung der sechziger Jahre durchdrungen, dass Verrücktwerden gleichbedeutend ist mit einem Höchstmaß an Offenbarung. Nun, das habe ich nie geglaubt, obwohl ich vielleicht mit dem
Goldenen
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