Schritte im Schatten (German Edition)
Notizbuch
dazu beigetragen habe, das mit seiner Struktur anzudeuten scheint, dass übermäßige Leere durch »Zusammenbrüche« kuriert werden kann. Etwas, das ich in der Zeit, als der Kommunismus in die Brüche ging, so gründlich beobachten konnte. Es waren die starrsten und dogmatischsten Leute, die »zusammenbrachen« und dann, auf erstaunliche Weise von dieser Erfahrung profitierend, frisch und munter in das Taghelle der Vernunft zurückkehrten, in dem gewöhnliche Leute wie du und ich leben. Und Kates Selbstaufopferung hatte eine analoge Erscheinung in einer realen Erfahrung, die ich selbst machte, keiner literarischen, als ich mich ganz bewusst verrückt machte, indem ich nicht aß und nicht schlief, aus purer Neugier. Ich lernte dabei etliches zu verstehen, aber ich würde es niemandem zur Nachahmung empfehlen, denn es ist ein gefährliches kleines Experiment. Was hier relevant ist, ist die Tatsache, dass ich mich absichtlich Extremen unterwarf. Ich habe nicht dieselben Erfahrungen gemacht wie die, die ich Kate Brown mitgab, aber damit stellt sich ein interessantes Problem, denn ich hatte das Gefühl, sie gemacht zu haben. Immer wieder habe ich über Leute geschrieben, die verrückt und halb verrückt waren und Zusammenbrüche erlitten. Ich selbst bin nie verrückt gewesen oder zusammengebrochen, aber ich habe das Gefühl, diese Dinge erlebt zu haben. Die Tatsache, dass ich persönlich nie verrückt geworden oder zusammengebrochen bin, ist – teilweise – darauf zurückzuführen, dass jede Neigung in diese Richtung von meinem Schreiben darüber aufgehoben wurde. Und teilweise auch darauf, dass es in meinem Leben immer Menschen gegeben hat, die sehr krank waren – wie mein Vater; Leute, die eine fürchterliche Kindheit hatten; Leute, die einen Zusammenbruch hatten; oder Leute, die, wie wir sagen, dem Leben nicht gewachsen waren. Aber ich glaube nicht, dass das Verrücktsein letzte Wahrheiten enthüllt. Dazu habe ich zu viel Verrücktheit gesehen. Schizophrene haben Momente, in denen sie die Wahrheit erkennen, die in weniger aufgeklärten Zeiten als göttliche Inspirationen beschrieben wurden, und bei ihnen handelt es sich ganz eindeutig um bestürzende Erkenntnisse. Depressive im letzten Stadium leiden unter einer Sicht des Lebens, die so öde, so hässlich, so grauenhaft ist, dass es kein Wunder ist, wenn sie gelegentlich Selbstmord begehen. Dennoch gibt es unter ihnen einige, die sagen, dass diese Sicht die einzig wahre sei und dass wir, die wir sie nicht teilten, lediglich unwissend oder oberflächlich seien. Genau wie die Männer, die aus den Schützengräben heimkehrten, in die Extreme des Leidens eingeweiht, und dann feststellen mussten, dass die Zivilisten nichts von dem verstanden, was sie durchgemacht hatten.
Es sind nicht die flachen grauen Ebenen des »Pessimismus« oder die gleichförmigen Perspektiven einer milden Depression – denn die meisten Schriftsteller arbeiten im Zustand einer matten, kalten, leichten Depression am besten –, die für diese These relevant sind. Lynda Coldstream in der
Viertorigen Stadt
, ihr ganzes Leben verrückt – schizophren; Professor Watkins, in
Anweisung für einen Abstieg zur Hölle
, der für eine Weile sein Gedächtnis verliert, Gelegenheit hat, sich besser kennenzulernen, aber sich weigert, es zu tun.
Das fünfte Kind; Die Terroristin
mit dieser Fülle destruktiver Menschen – das ist es, was mich hier interessiert.
In diese Galerie reiht sich Kate Rawlings (noch eine Kate) ein, die »erfolgreich« verheiratet ist, vier Kinder, einen wundervollen Ehemann und ein behagliches Leben hat, der aber die Substanz ihres Glaubens an das Leben versickert und die damit endet, dass sie in einem gemieteten Zimmer in Paddington den Gashahn aufdreht.
Zimmer neunzehn
ist eine ziemlich schreckliche Geschichte, nicht zuletzt deshalb, weil ich sie nicht verstehe oder jedenfalls nicht die Regionen meines Selbst verstehe, aus denen sie entsprungen ist. Und erst kürzlich habe ich in
Und wieder die Liebe
über einen Mann geschrieben, Stephen, der das Gefühl hat, dass ihm das Leben entgleitet. Wenn dieses Thema immer und immer wieder auftaucht, muss man zugeben – muss
ich
zugeben –, dass dicht unter der Oberfläche bei mir etwas auf der Lauer liegt, das mich, wenn ich nicht allergrößte Vorsicht walten lasse, ähnlich einem Ameisenlöwen, der am Boden seiner kleinen Sandgrube auf Beute lauert, zu verschlingen droht. Glaube ich, dass mich dieses Etwas
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