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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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liebte es, zu zeichnen und zu malen, und er wollte in jedem Zimmer Friese mit Bambis und Donald Ducks anbringen. Er war enttäuscht, als ich Nein sagte, und erzählte mir von den Häusern, die er mit Blumen und Kaninchen und Rotkehlchen dekoriert hatte. Er schenkte mir Karten mit Cartoon-Tieren. Sobald wir uns hinsetzten, kamen Papier und Bleistift zum Vorschein, und er machte sich ans Werk. Er sei ein Künstler, sagte er, aber als er das Wort gebrauchte, meinte er damit nur, was er wusste, denn er war nie wirklichen Gemälden, wirklicher Kunst begegnet. Er war noch nie in einem Museum oder einer Kunstgalerie gewesen. Als ich ihm sagte, sie seien kostenlos und jeder könne hingehen, schaute er schuldbewusst drein, aber gleichzeitig vorwurfsvoll. Ich zeigte ihm Reproduktionen, und er bewunderte sie, aber nicht so, als könnten sie irgendetwas mit ihm zu tun haben. Dennoch hatten seine Mickymäuse und seine Bambis etwas Originelles an sich. Wenn es je den Fall eines Dorf-Hampden gegeben hat, dann war er es.
    Aber ich verbrachte nicht meine ganze Zeit in der Charrington Street, denn ich musste Geld verdienen. Ich hatte noch nie zuvor für Geld geschrieben – das heißt, nicht aus einem inneren Drang heraus, sondern aufgrund an mich herangetragener Forderungen. Denn die wahre Arbeit, die eine für andere unsichtbare Wachstumskurve ist – das Wachstumszentrum –, ist eine Sache, die wahre Sache, und der Rest ist Lohnschreiberei, ganz gleich, wie viel Können man hineinsteckt und wie gut sie wird. Abgesehen von ein paar Skizzen, die ich für
The New Yorker
geschrieben hatte, hatte ich noch nie für Geld geschrieben … Nein, die Wahrheit zwingt mich zu dem Eingeständnis: Zweimal hatten eine mittellose Freundin und ich versucht, eindeutig kommerzielle Filmdrehbücher zu schreiben, aber man kann nicht erfolgreich für Geld schreiben, wenn man mit dem Herzen nicht bei der Sache ist, und diese unehrlichen Versuche waren gescheitert. Geschieht mir recht, hatte ich damals gedacht. Jetzt sah ich mich insgeheim als gefallene Seele, aber es war nichts falsch an dem, was ich fürs Fernsehen schrieb. Im Gegenteil. Schon bald war ich eine der drei Autoren, die die Granada-Serie von Maupassant-Geschichten schrieben, gemeinsam mit Hugh Leonard, dem irischen Autor, und Dennis Mackay, einem der führenden Leute von Granada. Wir saßen um einen großen Tisch herum und teilten die Geschichten aus wie Spielkarten. »Ich möchte
Boule de Suif

    »Nein,
Boule de Suif
nehme ich.«
    »Dann nehme ich
Die Diamantenkette

    »Ich will
La Maison Tellier
.« Wir verfügten alle über ausreichende französische Sprachkenntnisse, benutzten aber auch die Übersetzungen ins Englische.
    Es war eine wundervolle Serie. Granada Television ging damals Risiken ein, die heute keine Fernsehgesellschaft mehr eingehen würde. Sie produzierten Serien mit Erzählungen von Saki, A. E. Coppard, Somerset Maugham, Maupassant und anderen, jede über dreizehn Stunden gehend. Erstklassige Regisseure, Schauspieler, Autoren und Bühnenbildner waren an der Arbeit. Das Fernsehen maß sich damals so wenig Wert bei, dass es sie alle vernichtete, obwohl diese Serien zum Besten gehörten, was das Fernsehen je hervorgebracht hat. Auch ITV konnte in jenen Tagen mutig sein. Stella Richman tat wundervolle Dinge für sie und machte von den besten verfügbaren Talenten Gebrauch.
Half-Hour Story
und
Blackmail
sind noch in guter Erinnerung. Aber sie wurden ebenfalls vernichtet.
    Manchmal möchte man die Hände vors Gesicht schlagen und weinen oder heulen, weil man einfach nicht glauben kann, wie es in diesem unserem großartigen Land zugeht. Wenn Fernsehfilme von dieser Qualität in irgendeinem anderen europäischen Land gedreht worden wären, dann hätte man sie gehätschelt, ausgezeichnet, bewahrt, als nationale Schätze betrachtet. Es würde Festivals für sie geben, genauso, wie es heute bei uns Festivals für klassische Schwarz-Weiß-Filme gibt. Zumindest würde es Archive für die Arbeit der besten Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner und Autoren dieser Zeit geben. Aber nein, dies ist Großbritannien – also ab in den Mülleimer mit dem Zeug.
     
     
    Ich schätze, dass das Leben in London ein gutes Drittel der Ressourcen eines Menschen verschlingt – das heißt, an Geld. Dann ist da die Zeit, die man darauf verwendet, sich nach einem Ort zum Leben umzusehen, und sobald man einen hat, dann kommen die ständigen Reparaturen, Wasserleitungen, Dach, Fenster und

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