Schritte im Schatten (German Edition)
Tragödie
im Gepäck Afrika verließ und nach England aufbrach. Zwischen der Veröffentlichung von
Afrikanische Tragödie
1950 und dem Erscheinen von
Das goldene Notizbuch
1962 liegen jene Jahre, von denen Doris Lessing in
Schritte im Schatten
erzählt und in denen sie als Schriftstellerin ungeheuer produktiv und zunehmend erfolgreich war. Entsprechend werden wir hier, anders als im ersten Band, tatsächlich Zeugen schriftstellerischen Schaffens – und Zeugen eines tiefgreifenden Wandels, der sich in dieser Arbeit vollzog. Werfen wir also zunächst einen Blick darauf, was genau in jenen Jahren entstand.
Über die Veröffentlichung von
Afrikanische Tragödie
hatte Doris Lessing noch in Afrika einen Vertrag mit einem in Johannesburg ansässigen Verleger abgeschlossen. In
Unter der Haut
war bereits davon die Rede, dass ihre englische Agentin, entsetzt über die Vertragsbedingungen, dem afrikanischen Verleger ein Telegramm schrieb, woraufhin dieser die Rechte sofort wieder freigab und das Buch in England erscheinen konnte. Dieser Roman sowie ein Band mit Kurzgeschichten verkauften sich gut und warfen für Doris Lessing allmählich ein bescheidenes Einkommen ab.
Neben insgesamt drei Bänden mit Kurzgeschichten und zwei Theaterstücken entstanden im Lauf der fünfziger Jahren auch zwei Werke mit ausdrücklich autobiografischem Bezug: Zum einen schrieb Doris Lessing unmittelbar nach einer Südrhodesienreise 1956 ihren Bericht
Heimkehr
, in dem sie eine Bilanz dieser Reise zieht.
Heimkehr
ist nicht nur eine Erinnerung an Doris Lessings Kindheit und eine politische Bestandsaufnahme, sondern auch eine Liebeserklärung an Afrika und seine Bewohner – und eine zornige Anklage der weißen Diktatur. 1960 veröffentlichte Doris Lessing schließlich
Auf der Suche
, ein Buch, in dem sie von ihren Erfahrungen in den ersten Londoner Jahren berichtet und das, wie die Autorin selbst betont, als Ergänzung zu
Schritte im Schatten
gelesen werden kann. Der mit dem Untertitel »Eine Dokumentation« versehene Bericht beginnt zwar durchaus im dokumentarischen Stil, gerät aber bald zum erzählerischen Feuerwerk und nimmt romanhafte Züge an.
Im Zentrum der schriftstellerischen Arbeit der fünfziger Jahre stehen allerdings die ersten Bände von Doris Lessings Romanpentalogie »Kinder der Gewalt«, in der sie das Leben der Hauptfigur Martha Quest von deren Kindheit in Afrika bis in das Großbritannien eines fiktiven Dritten Weltkriegs verfolgt. Der erste Band,
Martha Quest
, erschien 1952 und erzählt vom Heranwachsen der Titelfigur in Afrika und von ihrem Kampf um Freiheit und Anerkennung. 1954 setzte Doris Lessing die Pentalogie mit dem Band
Eine richtige Ehe
fort, in dem Martha Quest erkennt, dass ihre frühe Heirat ein Irrtum war, und sich von ihrer jungen Familie abwendet, um in der Politik Erfüllung zu finden und ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Der dritte Band,
Sturmzeichen
, wurde 1958 veröffentlicht und erzählt von Marthas Leben in den revolutionären Kreisen Südrhodesiens und von dem Glück, das sie in einer Affäre mit einem anderen Parteimitglied findet – getrübt allerdings von Trauer darüber, ihre kleine Tochter verlassen zu haben. In
Schritte im Schatten
reflektiert Doris Lessing immer wieder über die Arbeit an diesen drei Bänden; sie bilden, wie wir sehen werden, den Schlusspunkt einer Schaffensphase.
Die beiden letzten Bände der Pentalogie,
Landumschlossen
und
Die viertorige Stadt
, erschienen in großem zeitlichem Abstand erst 1965 beziehungsweise 1969 . Dazwischen liegt als Block, als Bruch und Wendepunkt in Doris Lessings Leben und Schaffen ihr unbestrittenes Hauptwerk,
Das goldene Notizbuch
von 1962 , dem Jahr, mit dem
Schritte im Schatten
schließt. Über das Verhältnis der Pentalogie »Kinder der Gewalt« zum
Goldenen Notizbuch
und über den Stellenwert, den sie ihrem großen Roman beimisst, spricht die Autorin 1984 im Rückblick und hebt zunächst hervor, der Ton der Pentalogie habe sich nach dem dritten Band verändert: »Das kommt daher, dass ich zwischen Band drei und Band vier eine Menge schlimme Erfahrungen gemacht hatte, und im Laufe des Schreibens ließ das Autobiografische immer mehr nach. … Die letzten beiden Bände sind ganz anders. In der Zwischenzeit hatte ich nämlich
Das goldene Notizbuch
geschrieben, was mich wirklich vollkommen verändert hat.«
Die Autorin spricht hier ausdrücklich von einer Abkehr vom Autobiografischen, und wir wollen einen Blick auf diese
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