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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Veränderungen, auf den schon erwähnten grundlegenden Wandel werfen, zu dem es offenbar im Zuge der Arbeit am
Goldenen Notizbuch
kam.
    Die Frage, was aus der erlebten Realität in den literarisch gestalteten Text einfließt und welche Auswirkungen diese Einflüsse auf den Wahrheitsgehalt des literarischen Werkes haben, hat Doris Lessing immer beschäftigt. In autobiografischen Werken wie auch in zahlreichen Essays und Gesprächen beleuchtet sie immer wieder das Verhältnis von tatsächlich Erlebtem und literarisch Gestaltetem, wobei sie grundsätzlich zwischen atmosphärischen und faktischen autobiografischen Motiven unterscheidet. Wahrheit, so betont sie vor allem in späteren Jahren im Rückblick auf ihr umfangreiches Werk, müsse sich nicht unbedingt in faktischer Korrektheit und Genauigkeit manifestieren – sie könne sich durchaus auch im Heraufbeschwören eines Lebensgefühls, einer Atmosphäre niederschlagen. Dass und wie sich die Autorin im Laufe der überaus produktiven fünfziger Jahre von der Benutzung faktischer autobiografischer Motive abwendet und zu einer neuen Form der Verwertung autobiografischer Materialien findet, lässt sich in
Schritte im Schatten
nachvollziehen.
    Dort setzt sich die Autorin sehr häufig mit bestimmten Personen und Ereignissen auseinander, die Eingang in ihre literarischen Werke gefunden haben. Sie gibt zahlreiche Hinweise, was ihre Kurzgeschichten, die Romanpentalogie »Kinder der Gewalt« und insbesondere
Das goldene Notizbuch
betrifft. Für dieses Werk nennt Doris Lessing zum Beispiel die Therapeutin Mrs. Sussmann, die das Vorbild für Mother Sugar war; die Gespräche mit ihrer Freundin Joan Rodker am Küchentisch, Freunde und Liebhaber, die Wohnung in der Warwick Road und manches mehr. In der Art und Weise aber, wie diese Personen und Ereignisse im
Goldenen Notizbuch
verarbeitet werden, hat sich offenbar früheren Werken gegenüber etwas verändert. Ihre Darstellung ist hier sehr viel weniger direkt. Dieser Wandel in der Arbeitsweise der Autorin ist ein so faszinierender wie aufschlussreicher Vorgang, dessen Fazit Doris Lessing 1994 zieht, als sie gebeten ist, für eine Neuausgabe des
Goldenen Notizbuchs
ein Vorwort zu schreiben. Dort heißt es: »… wenn ich über manche Leute oder Ereignisse nachdenke, die Eingang in das
Goldene Notizbuch
gefunden haben, dann muss ich feststellen, dass Literatur ›die Wahrheit‹ besser wiedergibt als ein Tatsachenbericht. Warum das so ist, ist allerdings eine sehr große Frage, und es ist mir nicht einmal im Ansatz klar.«
     
    Wie aber stellte sich die Verarbeitung autobiografischer Motive vor dem
Goldenen Notizbuch
dar? Wie genau sehen Anfangs- und Endpunkt des erwähnten Wandels aus?
    Im Rückblick auf ihre erste Zeit in London, in der sie
Martha Quest
konzipierte, schreibt Doris Lessing in
Schritte im Schatten
: »Ich gelangte an einen Punkt, an dem mir bewusst wurde, dass mein frühes Leben außerordentlich gewesen war und den Stoff für einen Roman abgeben würde.« Sie beschloss, diesen Stoff zu nutzen, und stattete die Geschichte ihrer Hauptfigur entsprechend mit autobiografischen Zügen aus – und in entsprechend enger Parallelität verlaufen die Lebenswege der Autorin und ihrer Protagonistin Martha Quest, zumindest, wie oben erwähnt, in den ersten drei Bänden der Pentalogie. Hier gleichen die Lebensstationen, die Lebenspartner der Martha Quest denen der Doris Lessing aus
Unter der Haut
bis ins Detail.
    Gegen Ende der fünfziger Jahre, bei der Arbeit am
Goldenen Notizbuch
, stehen andere Überlegungen im Vordergrund. Im letzten Teil von
Schritte im Schatten
berichtet Doris Lessing detailliert über ihre Situation beim Schreiben des
Goldenen Notizbuchs
und über die Konsequenzen, die diese Arbeit für sie hatte. Hier gewährt sie uns Einblick in ihre Werkstatt und zeigt, wie sich ihre Abkehr von jenem faktisch autobiografisch inspirierten Schreiben vollzog, das für die ersten Bände von »Kinder der Gewalt« maßgeblich war.
     
    Am Beginn der Arbeit am
Goldenen Notizbuch
stand der Wunsch, einen Roman zu schreiben, dem die Leser der Zukunft entnehmen konnten, wie sich die Menschen, in diesem Fall die der fünfziger Jahre des 20 . Jahrhunderts, selbst sahen und wie sie lebten: »diejenigen, die Kommunisten waren und von einem Goldenen Zeitalter träumten«. Der Roman sollte eine »Chronik der Zeit« darstellen – eine Funktion von Literatur übrigens, die Doris Lessing auch in Äußerungen späterer Jahre und

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