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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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oder unbekannten Autoren erwartet man wie selbstverständlich, dass sie schwimmen – oder untergehen. Wenn die Öffentlichkeit in der Untergrundbahn Reklame für einen Roman liest, dann sieht sie, wie Reserven in den erfolgreichen Sektor des Schlachtfeldes geschickt werden. Sie sieht, wie aus einem Roman, der ohnehin schon ein Erfolg ist, ein Bestseller gemacht wird.
    Von der Atmosphäre des Caprice ermutigt, sagte ich zu Michael Joseph, wenn es etwas gebe, das ich mehr liebte als alles andere, dann seien es Schokoladen-Eclairs, und kaum war ich in meinen Slum zurückgekehrt, da hielt auch schon ein langer schwarzer Wagen vor meiner Tür, und von dem Chauffeur wurde eine hübsche rosa Schachtel abgeliefert. Sie enthielt ein Dutzend Schokoladen-Eclairs. Sie wurden bei einem der ohnehin schon sehr üppigen Familienessen im Erdgeschoss verspeist.
    Nichts, was ich in diesem Haushalt erlebte, entsprach meinen Erwartungen – Rationierung, verdrossenes Durchwursteln, sogar halbes Verhungern. Ich bekam Pakete mit Nahrungsmitteln nach England geschickt. Die Frau des Hauses, Italienerin, war eine der großartigsten Köchinnen der Welt. Ich glaube nicht, dass sie je ein Rezeptbuch in der Hand gehabt hat. Sie ging mit sechs Lebensmittelkarten zu einem Laden in Westbourne Grove, damals eine heruntergekommene Straße. Aber sie bekam immer das Drei- oder Vierfache der ihr zustehenden Menge an Butter, Eiern, Käse, Speck und Kochfett. Wie schaffte sie das? Sie reagierte verächtlich, als ich sie danach fragte. Es wird Zeit, dass Sie wissen, wo es langgeht, sagte sie. Es gab da zwei korrupte Polizisten, die ständig auftauchten und Butter und Eier von ihrer Beute bekamen, zum Dank dafür, dass sie ein Auge zudrückten. Hatte ich an diesem gesetzwidrigen Treiben teil? Selbstverständlich, ich übergab ihr unsere beiden Lebensmittelkarten. In dieser Situation auf so etwas wie Tugendhaftigkeit zu bestehen, wäre nicht nur mir absurd vorgekommen, diese liebenswerten Gauner hätten das auch nicht verstanden. Außerdem wurde in den Zeitungen bereits lautstark das Ende der Rationierung verlangt. Es bestehe keine Veranlassung mehr dafür, hieß es. Nie habe ich so gut gegessen. In der Miete war zwar das Essen nicht mit inbegriffen, aber wie die meisten guten Köchinnen konnte es unsere Hauswirtin nicht ertragen, jemandem, der sich an ihrem Tisch niederließ, nicht mit zu verköstigen. Ich aß zwei- oder dreimal in der Woche unten, Peter an den meisten Abenden. Sie verlangte Geld zum Einkaufen, wenn sie selbst keines mehr hatte. Sie hing einer Ökonomie an, die nicht nur mich, sondern auch andere Leute im Haus mit einbezog in ein kompliziertes Schema von Borgen und Ausleihen – Zigaretten, ein Kleid oder ein Paar Schuhe, die ihr gefielen.
    Als ich Bekannten aus der Mittelklasse von den korrupten Polizisten und der Butter, den Eiern und dem Käse erzählte, reagierten sie verschnupft, wurden wütend. »Unsere Polizisten sind nicht korrupt«, sagten sie. Sie betrachteten meinen Ausflug an diese fremdartige Küste – die Arbeiterklasse – als typisches Unternehmen um meiner Kunst willen, der Erfahrung halber. Sie warteten auf kleine Anekdoten über die komische Arbeiterklasse, im Geiste der versnobten
Punch
-Cartoons über Dienstboten.
    Von da an wurde ich, bis die Behörden Jahrzehnte später zugaben, dass mit unserer Polizei nicht alles zum Besten stand, von fast jedermann mit eben der feindseligen Ungeduld behandelt, mit der man mir auch begegnete, wenn ich sagte, dass Südafrika für die Schwarzen und die Farbigen eine Hölle sei – denn das hatte sich immer noch niemand eingestanden, trotz Alan Patons
Denn sie sollen getröstet werden
, das gerade erschienen war, kurz vor der
Afrikanischen Tragödie
 –, und erst recht, wenn ich betonte, dass Südrhodesien genauso schlimm war wie Südafrika, nach Ansicht mancher Schwarzer sogar noch schlimmer. Solche Dinge sagten nur Unzufriedene und Rote.
    In dem Haushalt in der Denbigh Road interessierte sich niemand für Südafrika. Nichts war von Interesse, was außerhalb dieses kleinen Straßenareals lag. Von Besuchen in dem lediglich eine Meile entfernten West End sprach man wie von einer bedeutsamen Exkursion.
    Die Ausgelassenheit, die, wenn man so will, gute körperliche Befindlichkeit dieses Haushalts galt damals keineswegs für die Allgemeinheit. Die Briten waren ein erschöpftes Volk. Gleichgültig. Ihre nationale Mattigkeit, diese Nachwirkung des Krieges, als ob die Schrecken oder

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