Schritte im Schatten (German Edition)
Südafrika und ihrem Kind teilen; diese ziemlich unerfreuliche Erfahrung ist in
Auf der Suche
eingegangen. Unsere Wohnung war groß und gut möbliert. Zwei Zimmer waren an Prostituierte vermietet. Als ich das herausfand – ich begriff nicht sofort, wer diese elegant gekleideten Frauen waren, die mit Männern die Treppe hinauf- und hinuntertrippelten – und die Frau aus Südafrika zur Rede stellte, weil ich der Überzeugung war, dass das nicht gut für die zwei kleinen Kinder sein konnte, brach sie in Tränen aus und sagte, ich sei herzlos.
Ich verbrachte sechs Wochen damit, nach einer Bleibe zu suchen, in der ein kleines Kind willkommen war. Eine Hitzewelle ging über das Land, und ich konnte nicht verstehen, weshalb die Leute sich über das englische Wetter beklagten. Meine Füße ließen mich auf dem heißen Pflaster im Stich und beinahe auch meine Moral, aber dann erklärte sich eine italienische Familie bereit, mich und das Kind aufzunehmen. Mein Hauptproblem war gelöst. In die Denbigh Road also. Peter wurde in einem städtischen Kindergarten aufgenommen. Vom ersten Tag an hatten die Verhältnisse, in denen wir gelebt haben, ihn gelehrt, kontaktfreudig zu sein. Darum ging er gern dorthin. Sobald er aus dem Kindergarten zurückkam, verschwand er sofort ins Souterrain, wo es ein kleines Mädchen seines Alters gab. Das Haus, für mich deprimierend, weil es so trist und schmutzig und vom Krieg beschädigt war, war für ihn ein Glücksfall.
Anfangs wohnten wir in einer Dachkammer, die – bildlich gesprochen – so klein war, dass ich nicht einmal eine Schreibmaschine aufstellen konnte. Ich schickte ein paar Kurzgeschichten an die Agentur Curtis Brown, auf gut Glück aus dem
Writers’ & Artists’ Handbook
ausgewählt, und Juliet O’Hea schickte etwas zurück, von dem ich erst später erfuhr, dass es ein Standardbrief war; ob ich nicht einen Roman hätte oder daran dächte, einen zu schreiben? Ich antwortete, es gebe da einen Roman, aber er sei bereits von einem Verleger in Johannesburg gekauft worden. Sie wollte den Vertrag sehen und war schockiert und sehr wütend, als sie ihn gelesen hatte – sie wollten fünfzig Prozent von sämtlichen Einnahmen haben, als Entgelt für das Risiko, das sie mit diesem gefährlichen Buch eingingen. Juliet O’Hea schickte ihnen ein Telegramm, in dem es hieß, dass sie sie, wenn sie mich nicht sofort aus dem Vertrag entließen, als Gangster bloßstellen werde. Sie verkaufte das Buch übers Wochenende an Michael Joseph.
Pamela Hansford Johnson war Michael Josephs Lektorin. Sie schrieb ein begeistertes Gutachten, verlangte aber, dies und jenes müsse geändert werden. Da ich Jahre damit verbracht hatte, das Buch zu schreiben und zu überarbeiten, widerstrebte es mir, Änderungen vorzunehmen, zumal ich mir die Schulter gebrochen hatte. Wie? Darin kann man nichts weniger als ein psychologisch bedeutsames Ereignis sehen. Ich war am Leicester Square, wo ich mir zusammen mit einem jungen Mann den Film
Kinder des Olymp
angesehen hatte. Wir waren überaus romantisch ineinander verliebt gewesen, als er in Rhodesien bei der Royal Air Force stationiert war. Unser beider Leben hatte Wege eingeschlagen, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können: Er war im Begriff, sich dem britischen Industrieverband anzuschließen, und ich war immer noch, mit unguten Gefühlen zwar, eine Rote, wenn auch kein Parteimitglied. Ich kam aus dem Kino und trat direkt in noch halb flüssigen Asphalt, der von Arbeitern, die sagten, ich hätte aufpassen müssen, wo ich hintrete, gerade auf die Straße aufgetragen worden war. Gottfried Lessing war mittlerweile in London eingetroffen, wo er zu bleiben gedachte, und wohnte zusammen mit Dorothy Schwartz aus Salisbury in einer großen Wohnung in der Nähe der U-Bahn-Station Belsize Park. Er nahm Peter für sechs Wochen zu sich, während meine Schulter heilte.
Die Rückschau hat meinen Erinnerungen an diese Zeit einen sorglosen Ton verliehen, denn wenn sie auch schwierig war, so wurde ich doch mit allem fertig. Diese kleine Szene zeichnet ein anderes Bild: Ich stehe auf dem Bahnsteig der U-Bahn-Station Queensway. Mein linker Arm liegt in einer Schlinge, und meine gelbe Wolljacke ist darüber zugeknöpft. Ein Knopf springt ab, ein Windstoß hebt die Jacke von meiner linken Schulter, und ich stehe, bis auf meinen Büstenhalter entblößt, auf dem Bahnsteig. In London kann man nackt die Oxford Street entlanggehen, fast ohne eines Blickes gewürdigt zu
Weitere Kostenlose Bücher