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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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einen anderen Verleger.« Sie nahmen es trotzdem. [1]
    Ich hatte nur noch sehr wenig Geld übrig. Die 150  Pfund Vorschuss von Michael Joseph wurden sofort von Miete und Gebühren für den Kindergarten geschluckt. Ich nahm für ein paar Wochen einen Sekretärinnen-Job an, wo ich praktisch überhaupt nichts tat, weil es ein neues Ingenieurbüro mit jungen, unerfahrenen Partnern war. Ich hatte Peter aus dem städtischen Kindergarten herausgenommen und in einem ziemlich teuren Privat-Kindergarten untergebracht. Wie sollte ich das bezahlen? Aber meine Einstellung war immer: Beschließe, etwas zu tun, und finde dann Mittel und Wege, dafür zu bezahlen. Bald wusste ich, dass ich ziemlich dumm war. Ich war angeblich Schriftstellerin; Verleger fragten behutsam an, was ich schrieb. Aber ich hatte keine Energie zum Schreiben. Ich wachte um fünf Uhr auf, mit Peter, wie immer – er fuhr noch Jahre fort, um fünf aufzuwachen, und ich mit ihm. Ich las ihm vor, erzählte ihm Geschichten, machte ihm Frühstück, brachte ihn mit dem Bus in den Kindergarten, ging zur Arbeit. Dort saß ich herum, tat nicht viel oder schrieb allenfalls heimlich eine Kurzgeschichte. In der Mittagspause ging ich einkaufen. Um fünf holte ich Peter aus dem Kindergarten ab, fuhr mit dem Bus zurück, und dann kam für ihn der übliche ausgelassene Abend im Untergeschoss, während ich die Wohnung sauber machte. Er schlief erst gegen zehn ein. Aber da war ich dann zu müde, um noch arbeiten zu können.
    Ich gab den Job auf. Inzwischen rief der Verlag an – zweimal –, um mir mitzuteilen, dass sie nachdruckten, und zwar noch vor der Veröffentlichung. Ich sagte: »Oh, gut.« Ich dachte, das passierte jedem Schriftsteller. Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Sie glaubten, dass ich meinen Erfolg für selbstverständlich hielt.
    Michael Joseph lud mich zum Lunch ins Caprice ein, damals das eleganteste Show-Business-Restaurant. Ich war innerhalb des Hauses aus meiner Dachkammer in einen großen Raum umgezogen, der einmal schön gewesen sein musste und es auch wieder werden sollte, jetzt aber schmutzig und zugig war, mit einem unzulänglichen Kamin beheizt. Das ganze Haus war infolge der Luftangriffe voller Risse und undicht. Es gab noch ein kleines Zimmer, in dem Peter schlief. Das Caprice war eine Pracht mit rosa Tischtüchern, Silber, Glas und gut gekleideten Leuten. Michael Joseph war ein gut aussehender Mann, weltläufig, hier zu Hause, und er redete von Larry und Viv und sagte, es sei ein Jammer, dass sie heute hier nicht speisten. Michael Joseph, aus irgendeinem Grund nicht kriegstauglich, hatte den Verlag während des Krieges gegründet, entgegen dem Rat aller möglichen Leute, denn er hatte nicht viel Kapital. Der Verlag hatte sofort Erfolg, vor allem deshalb, weil Michael Joseph zuvor bei der Agentur Curtis Brown gearbeitet hatte, und Juliet O’Hea, seine gute Freundin, sorgte dafür, dass ihm neue Bücher zugeschickt wurden. Er genoss seinen Erfolg, ließ ein oder zwei Rennpferde laufen, war Stammgast in Londons eleganten Lokalen und begrüßte ständig Leute an anderen Tischen. »Ich möchte Ihnen unsere neue Autorin vorstellen – sie kommt aus Afrika.«
    Zweck dieses Lunchs war nicht nur, dass Autoren sich geschmeichelt fühlen sollten, sondern vor allem, sicherzustellen, dass diese spezielle Autorin nicht von ihm erwartete, für das Buch zu werben. Er erzählte mir Geschichten wie die, dass ein bestimmtes kleines Buch,
Die Schneegans
von Paul Gallico, während des Krieges erschienen, schon vor Erscheinen mehrere Male nachgedruckt worden war, allein durch Mundpropaganda. »Werbung hat keinerlei Auswirkungen auf das Schicksal eines Buches.« Alle Verleger reden so.
    In manchen Militärakademien muss man sich als Prüfling in die Situation eines an der Front kommandierenden Generals hineinversetzen: In einem Bereich halten sich seine Truppen gerade noch, in einem anderen werden sie in die Flucht geschlagen, in einem dritten treiben sie den Feind zurück. Preisfrage: Wohin soll er, mit begrenzten Ressourcen bedacht, seine Reserven schicken? Die korrekte Antwort muss lauten: In den erfolgreichen Sektor, die anderen sind ihrem Schicksal zu überlassen. Offenbar liefern nur wenige Leute die richtige Antwort; sie lassen sich von ihrem Mitleid mit den minder erfolgreichen Soldaten in die Irre führen. Verleger gehören zu den Leuten mit der richtigen Antwort. Ein bereits erfolgreicher oder bekannter Autor bekommt Anzeigen, aber von sich abmühenden

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