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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Schließlich war ich in diesen Bereichen immer zu Hause gewesen.
    Joan traf mich dort, wo es am meisten schmerzte, als sie sagte, der Umzug sei schlecht für Peter. Das wusste ich, aber die Wohnung war zu klein. Inzwischen war er ein lebhafter Junge von acht Jahren. Er brauchte mehr Platz. Aber was er vor allem brauchte, war ein Vater. Ernest war ihm wenigstens wie ein großer Bruder gewesen.
    Bevor ich bei Joan auszog, schrieb ich an Somerset Maugham und dankte ihm für die 400  Pfund. Ich bekam einen mürrischen Antwortbrief, in dem stand, erstens habe er nichts mit der Auswahl der Preisträger zu tun, zweitens habe er nie eine Zeile von mir gelesen, und drittens habe ihm noch nie jemand geschrieben, um sich bei ihm zu bedanken. So viel zu guten Manieren. »Du musst immer einen Bedanke-mich-Brief schreiben.« Oder: »Doddis brav,
gute
kleine Baba«
(Unter der Haut)
. Dieser Brief von Somerset Maugham tat weh. Er sollte wehtun. Aber ich verdankte ihm ein Dach über dem Kopf.
    Bevor ich mich auf das Abenteuer dieser neuen Wohnung einließ, fragte ich meinen Steuerberater und meinen Bankmanager, ob damit zu rechnen sei, dass das Wohnrecht geändert werde. Ich wollte nicht meine kostbaren 250  Pfund für eine unter Kündigungsschutz stehende Wohnung ausgeben und dann eines Tages feststellen müssen, dass ich auf der Straße stand. Ganz bestimmt nicht, sagten beide, es ist völlig ausgeschlossen, dass daran etwas geändert wird. Nun, es wurde geändert, oder jedenfalls der Teil des Gesetzes, der mich betraf.
Experten
. Aber erst vier Jahre später.

Warwick Road
SW 5
    Die Wohnung lag in der Warwick Road, einer außergewöhnlich hässlichen Straße, auf der den ganzen Tag und den größten Teil der Nacht Lastwagen entlangdonnerten. Sie bestand aus einer großen Küche, einem sehr großen Wohnzimmer und oben zwei vernünftigen Schlafzimmern und zwei kleineren Räumen. Dies war der erste Ort, den ich mein eigen nennen konnte nach all den vielen Zimmern, Wohnungen und Häusern, in denen ich gelebt hatte. Die Wohnung war durchweg in braunem Holz und einem cremefarbenen Ton gehalten, was zwanzig Jahre später der letzte Schrei sein sollte, aber damals der Inbegriff schäbigen Provinzlertums war. Ich hätte nicht damit leben können. Ich malte alles weiß, und das kostete mich zweieinhalb Monate. Ich balancierte auf Leitern, Fensterbänken, auf Konstruktionen aus Leitern, Stühlen und Bohlen sogar über dem Treppenhaus; heute graust mir bei dem Gedanken, was ich da getan habe. Ein Maler, der hereinschaute, nachdem er gehört hatte, dass diese Frau seinen Platz in der Arbeitswelt an sich gerissen hatte, betrachtete die Farbrollen, die damals gerade erfunden worden waren, und sagte, dass kein vernünftiger Fachmann diesen Mist benutzen würde. »Kein Mensch kann mit einer Rolle anständige Arbeit leisten.«
Experten
.
    Das Mobiliar, das ich mit der Wohnung übernommen hatte, war ziemlich scheußlich. Ich lackierte einiges davon neu. Ich hängte billige, aber hübsche Gardinen auf. Ich färbte den alten Teppich grün. Eine Freundin erzählte mir kürzlich, dass sie schockiert gewesen sei, als sie in die Wohnung kam und sah, dass ich eine schwarze Tagesdecke auf dem Bett hatte. War sie nicht rot gewesen? Ich erinnere mich, dass ich eine Tagesdecke aus »Brokat« dunkelrot gefärbt habe. Anfangs richtete ich mir einen der kleinen Räume als Schlafzimmer ein, aber als Jack mit mir Schluss machte, zog ich nach unten um, und das große Wohnzimmer wurde zu dem Raum, in dem ich schlief, arbeitete,
lebte
.
    Als ich in diese Wohnung zog, die fast so etwas wie ein kleines Haus war – unterschied sich meine Einstellung da von der eines Menschen, der sich ein Stückchen Wildnis erobert? Diese Wohnung
gehörte mir
. Ich hatte nicht ein Eckchen im Haus von jemand anderem gemietet. Wir prägen Häusern oder Wohnungen unseren Stempel auf, mit Gardinen, Farben, Möbeln, aber für all das hatte ich nicht das Geld. Was ich an die Fenster hängte, war nicht, was ich gern gehabt hätte. Mein Zeichen bestand in der strahlend weißen Farbe, mit der ich jeden Quadratzentimeter der Wände gestrichen hatte. Ich hatte mir eingebildet, auch die Küche wäre meine eigene – blauer Linoleum-Fußboden, weißes Holz, eine rote Tapete, aber Jack stand darin, lächelte und sagte: »Was für ein Malkasten! Du hast mehr mit meiner Frau gemeinsam, als du glaubst. Sie hat dieselbe Tapete in ihrer Küche.« Damals war die Auswahl nicht so groß wie heute, wo man

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