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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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mit echter Verachtung zurück. Das taten sie zum Teil deshalb, weil niemand der Überzeugung war, eine so bescheidene Zahl von Leuten könnte für ein so mächtiges Land eine Bedrohung darstellen. Aber wenn man glaubt, dass der Zweck die Mittel heiligt, weshalb dann nicht ein Roter unter jedem Bett oder Moskauer Gold? Aber niemand, mit dem ich sprach, nahm an, dass die Sowjetunion kommunistische Zeitungen finanzierte oder sowjetfreundliche Organisationen wie die Gesellschaft für Britisch-Sowjetische Freundschaft und ihr amerikanisches Äquivalent. Der kommunistische Jargon wurde in Anführungszeichen gesetzt, zum Beispiel »kapitalistische Lügen« – zum Teil deshalb, weil inzwischen jedermann wusste, dass diese kapitalistischen Lügen der Wahrheit entsprachen. Aber was diese Leute vor allem fühlten, war, dass sie unschuldig waren: Sie hatten nicht das Geringste verbrochen. Sie hatten lediglich geredet. McCarthy war lächerlich, machte sich selbst zur Witzblattfigur, und als Cohn und Schine, seine engsten Mitarbeiter, nach Europa kamen, um McCarthys Botschaft zu verbreiten, mussten alle lachen. Aber für seine Opfer war McCarthy schrecklich genug, wie in Hunderten von Memoiren nachzulesen ist: für die Leute, die vor seinen Komitees erscheinen mussten. Und außerdem erfuhr ich von den Betroffenen selbst oder von anderen Leuten, dass in den Vereinigten Staaten sogar kleine und völlig unbedeutende Rote regelmäßig vom FBI aufgesucht wurden, ihre Jobs verloren, keine neuen Stellungen finden konnten – eine unablässige, Jahre andauernde Verfolgung erlebten. Aber ich glaube nicht, dass es viele amerikanische Kommunisten gegeben hat, die das durchmachen mussten. Ich vermute, dass das Alltagsleben der ganz gewöhnlichen Roten in Amerika genau wie das der in England ungefähr so aufregend war, wie wenn sie einem Frauenverein oder einer Kirche angehört hätten. Bei den meisten britischen Roten war das ganz eindeutig der Fall, aber in Amerika musste der gesellschaftliche Druck, der auf ihnen lastete, schlimmer sein, weil die Amerikaner ein so extremes Volk sind. Das scheint niemandem aufzufallen oder Anlass zu Kommentaren zu geben: Wenn sie sich einem Glauben, einem Kreuzzug oder einer Verfolgung widmen, tun sie es immer auf extreme Weise. Aber dann zieht der Hurrikan vorbei und wird vergessen. Selbst die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges waren in Großbritannien im Vergleich zu den Vereinigten Staaten harmlos.
    Das Interessanteste, was man aus den jetzt zahlreichen Büchern über CIA und FBI erfährt, ist die Tatsache, dass die Ketzerjäger von den Kommunisten keine Ahnung hatten, nicht wussten, wie sie wirklich waren. Der Grund dafür ist vermutlich der, dass sie ihre Informationen von übergelaufenen sowjetischen Spionen oder professionellen Agenten erhielten, also Menschen, die in ihrer eigenen finsteren Welt lebten. Auf alle Fälle hatten sie keine Ahnung, was man in zivilisierteren Teilen der Welt von ihnen hielt, sonst hätten sie diese armseligen Clowns, Roy Cohn und David Schine, nicht als ihre Stellvertreter nach Europa geschickt. [9]
     
    Vom Tag unseres Kennenlernens an wurde ich von Jack gedrängt, mir eine eigene Behausung zuzulegen. »Du bist jetzt ein großes Mädchen.« Er sagte, Joan kommandiere mich herum, aber ich wusste, dass seine Einstellung Joan gegenüber etwas mit einem »ungelösten Konflikt« bei ihm selbst zu tun hatte. Die Art und Weise, auf die ich Joan zu meiner Mutter gemacht hatte oder auch nicht, wurde natürlich ausgiebig mit Mrs. Sussman diskutiert. Ich war der Ansicht, dass Jack den Hauptpunkt außer Acht ließ, nämlich den, dass es Peter gut tat, in Joans Haus zu leben, denn er liebte sie und sie ihn, und Ernest war für ihn so etwas wie ein großer Bruder. War ihm das nicht klar? Schließlich war er Psychiater. Das war natürlich naiv, aber in jener frühen Zeit galten Psychoanalytiker und Psychiater als unfehlbar oder wurden zumindest auf eine Weise tiefer Einblicke für fähig gehalten, die heute unmöglich wäre: Inzwischen wissen wir, dass sie auch nur Menschen sind, genau wie wir alle.
    Es gibt auf der Welt wohl keine Frau, die von ihrem Geliebten bedrängt wird, alle anderen Menschen zu verlassen und sich ein eigenes Heim zuzulegen, die das, was er sagt, nicht als Versprechen empfindet, selbst wenn ihr Verstand ihr etwas anderes sagt. Ich sah weniger von Jack als früher. Ich dachte, er würde häufiger kommen, wenn ich mir ein eigenes Zuhause zulegte.
    Dabei ist

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