Schroders Schweigen
Inszenierungen führen, die den schlechten Uni-Theatergruppen dieser Welt noch für Jahrzehnte genug Stoff liefern werden. Ich möchte hier eine Verbindung ziehen zwischen dramatischen Gesprächspausen und ehelichen Gesprächspausen. Sowohl dramatische als auch eheliche Pausen sind unterschiedlich lang; die kürzesten oder geringfügigsten sind leicht zu ignorieren (»…«), signalisieren aber doch irgendeine Form von innerem Kampf; andere Pausen sind länger und befrachtet mit mühsamer Unterdrückung oder Konfusion ( Pause ), doch die längsten Pausen ( Schweigen ) sind diejenigen, die man eigentlich niemandem zumuten kann, und ich persönlich würde mir lieber das Fell versohlen lassen, als danebenzustehen, während meine Frau nichts zu sagen hat, im Sinne von nichts mehr zu sagen.
Wer sich daher für die Pinters’chen Pausen interessiert, könnte sich das Eintrittsgeld sparen und einen Abend damit zubringen, irgendeine in die Brüche gehende Ehe zu beobachten. Hier ist ein Auszug aus meiner:
Schinkensandwich: eine Ehe
für Laura
Frau
(sieht von ihren Klassenarbeiten hoch)
Ach. Du bist ja hier.
Mann
Ja. Ich bin … hier.
Frau
Na dann … setz dich doch hin.
Mann
Wohin?
Frau
Egal.
Mann
Neben dich?
Schweigen.
Frau
Schläft sie?
Mann
Wer?
Frau
Unsere Kleine.
Mann
Jaja. Sie war sehr müde. Aber glücklich.
Frau
Glücklich … glücklich …
Schweigen.
Mann
Und du?
Frau
(erschrocken)
Ich?
Mann
Bist du …?
Frau
Ich weiß nicht.
Pause
Ich weiß nicht.
Mann
Könnten wir …
Frau
Ach. Ich weiß es nicht mehr.
Mann
Willst du …
Frau
Nein.
Pause.
Jetzt nicht mehr. Ich …
Schweigen.
Pause.
Mann
Na gut. Möchtest du ein Schinkensandwich? Ich gehe jetzt in die Küche. Ich könnte …
Frau
Ja. Gut. Danke. Ein Schinkensandwich wäre schön.
Mann
Gut.
(Er steht auf.)
Frau
Warte.
Mann
Was denn?
Frau
Ich will eigentlich gar kein Schinkensandwich. Ich hab keinen Hunger.
Mann.
Gut. Möchtest du ein anderes Sandwich? Mit Eiersalat? Roastbeef? Wie wär’s mit einem Waffeleis?
Frau
Wie gesagt. Ich hab keinen Hunger.
Mann
Wie wär’s mit einer Brezel? Einem Obsttörtchen? Lamm mit Minzsoße? Warum ist alles, was ich dir anbiete, unzulänglich?
Schweigen.
Ende des Stücks.
* * *
Ist aber nicht besonders komisch. 9
Aber Harold Pinter war ja auch kein sonderlich komischer Dramatiker.
Schon immer war ich fasziniert – und unangenehm berührt – vom Schweigen. Meine Forschungsarbeit zwang mich zu der Erkenntnis, dass die kurzen Schweigefenster überall sind und dass selbst der Ton die Stille braucht, um Ton zu sein . Überall auf dieser Seite sind winzige Pausen. Zwischen den Absätzen. Sogar zwischen diesen einzelnen Wörtern. Dennoch können sie einsam sein. Bei allen Mängeln meines Projekts würde ich daher sagen, der schlimmste ist der, dass ich das Gefühl der Einsamkeit, das Redepausen in mir hervorrufen, nie habe abschütteln können. Manchmal wünschte ich mir, es gäbe überhaupt kein Schweigen. Und so schenke ich dir, wenn auch widerwillig, dieses hier.
MÄNNER UND FRAUEN
Beim Anziehen deiner Unterwäsche hast du dir immer die BH-Träger über die Schultern gezogen und dich vorgebeugt, wie um deine Brüste einzufangen. Dann hast du den Verschluss am Rücken befestigt, die Körbchen zurechtgerückt und schließlich standst du da, perfekt in Form. Dieses Ritual habe ich oft vom Bett aus beobachtet. Ich habe darauf gewartet. Es gefiel mir, dass dabei eine Verbeugung vorkam und wie du danach zum Applaus aufzufordern schienst. Beim Entkleiden zuzusehen hat durchaus seinen Reiz, aber es gibt nichts Betörenderes als eine Frau, die sich anzieht, ein Teil nach dem anderen, wie sie ihren großen Zeh in die geraffte Öffnung einer Strumpfhose taucht oder mit abgespreiztem kleinem Finger einen Reißverschluss zuzieht und mit dem ganzen Körper ein Später vielleicht zum Ausdruck bringt. Natürlich fand ich mich all dessen immer unwürdig. Als Mann kam ich mir im Vergleich immer so viel hässlicher vor. Allein schon meine männliche Körperpflege . Wie ich mit Deoresten in den Achselhaaren im Badezimmer stehe und mir mit dem sirrenden Stab eines elektrischen Nasenhaartrimmers im Nasenloch bohre. Du hast immer einen Duft von Kamelie hinterlassen. Ich kleine Härchen. Meine Schritte waren schwer. Deine waren geräuschlos. Du wusstest mit Glas umzugehen. Mit einem Sektglas in der Hand sah ich aus wie ein Idiot, wie ein Gorilla. Ich bin dankbar, wirklich, und auch
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