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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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riesige Kluft zwischen uns entstanden ist.« Mit bittendem Blick sahst du mich an. »Waren wir schon immer so? Ich glaube nicht. Ich vermisse den, für den ich dich gehalten hatte.«
    Und dann hast du dich einfach gehenlassen, du hast einfach drauflosgeschluchzt.
    Es lässt mich nicht kalt, hier zu sitzen und das Gefühl zu schildern, das man hat, wenn man seine Frau dabei beobachtet, wie sie in ihrer Verzweiflung Tränen vergießt, weil man irgendetwas getan hat – oder nein, weil man irgendwie ist , ohne dass es einem selbst seltsam oder bemerkenswert vorkommt. Obwohl ich diesen PR-Kampf ganz klar verloren habe – ich habe ja auf unzählige Weise gegen das Gesetz verstoßen –, würde ich immer noch gerne wissen, ob die Sache mit dem Fuchs nun richtig war oder nicht. Denn am Ende frage ich mich noch immer, was ich hätte sagen sollen, und ich bringe ziemlich viel Zeit damit zu, hier zu sitzen und darüber zu grübeln, wie ich dem, für den du mich gehalten hast, ähnlicher hätte sein können, was sich manchmal produktiv anfühlt und manchmal wie eine seltene Form der Selbstkasteiung. Und so habe ich mir einen Multiple-Choice Fragebogen ausgedacht, für die Leserin dieses Dokuments, wer auch immer sie sein mag, wenn du es nicht selbst bist, Laura, sozusagen als eine Art Studie. Hier ist er:
    Ist es angemessen, einem dreijährigen Kind zu erzählen, dass alles, was lebt, irgendwann sterben und verwesen wird, einschließlich des menschlichen Körpers?
    Ja oder nein?
    Wenn nein, warum nicht?
    a) Weil das gelogen ist. Ein Leiche verwest nicht, vielmehr wird sie vollständig intakt auf den Schultern einer Schar himmlischer Schwärme davongetragen.
    b) Weil die Frage irrelevant ist. Der Lehrer ist diskreditiert worden, und zwar aus Gründen, die sich seitdem exponentiell vervielfacht haben, und daher ist alles, was er je gesagt hat, sind alle Behauptungen, die er je gegenüber seinem ausnehmend intelligenten Kind aufgestellt haben könnte, an sich schon fragwürdig.
    c) Weil ein Kerl in seiner Lage sich nun wirklich dem Willen seiner Frau hätte beugen müssen, und wenn er auch nur halbwegs bei Verstand gewesen wäre, hätte er gewusst, dass es seiner Frau missfallen würde, und dass er dennoch einen toten Fuchs entweiht hat, beweist ja schon, dass er sie wahrscheinlich nicht mehr liebte oder dass er sie aufgegeben hatte oder nicht mehr an ihre Fähigkeit glaubte, ihn als den zu akzeptieren, der er war, und dass sie sich wegen eines wissenschaftlichen Experiments einen so erbitterten Streit lieferten, hatte vermutlich nur Stellvertreterfunktion, und eigentlich stellten sie sich wahrscheinlich die typischen Endphase-Standardfragen: Warum liebst du mich nicht? / Warum liebst du mich nicht?
    Bitte Antwort ankreuzen und zurücksenden an:
    Erik Schroder AZ # 331.890
    CCI Albany
    County Correctional Institution
    Postfach 3404
    Albany, NY 12.227

NOCH EINE ÜBERRASCHUNG
    Der Frosch lebte noch. Als Meadow den Eimer im Teichwasser abstellte und den Hühnerstalldraht abnahm, erwachte er jäh zum Leben und entfernte sich mit hastigen Schwimmbewegungen, tief hinein ins Trübe. Dann machten wir kehrt und liefen zurück in Richtung Feldweg.
    Wir hatten soeben den Weg erreicht, als wir ein Auto auf uns zukommen hörten. Es raste über die Anhöhe und an uns vorbei, nur um ein Stück weiter in einer Staubwolke zu halten. Die Rücklichter leuchteten; die Fahrerin drehte sich um, legte den Rückwärtsgang ein und ließ auf der Beifahrerseite das Fenster runter. Es war April.
    »Da seid ihr ja wieder«, sagte sie.
    Unwillkürlich musste ich lächeln. Ich beugte mich vor und ließ die Hand auf ihrem Autodach ruhen. Sie hatte den Arm um ihren Rücksitz gelegt. Seit unserer letzten Begegnung hatte sie sich umgezogen und trug jetzt ein langes Gewand mit Fledermausärmeln in Gelb, Grün und Rot. Auf dem Rücksitz sah ich ihre Sachen: ein paar Holzkisten, eine Isomatte, einen Seesack, einige Promimagazine.
    »Ich wollte mich gerade daran gewöhnen, dass ich dich nie wiedersehen würde«, sagte ich.
    »Nicht nötig«, sagte sie. »Rein mit euch. Ich kann das Zeug da zur Seite schieben.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Danke. Aber wir wollten selber gerade zurück, um abzureisen. Nach Hause, du weißt schon. Es wird Zeit.«
    April beugte sich nach vorn und lächelte Meadow freundlich an. »Na, Chrissy?«
    »Na«, sagte Meadow zögernd, aber mit einem kleinen Lächeln.
    April winkte mich um das Auto herum. »Komm mal rüber«, forderte sie mich

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