Schroders Schweigen
Ärztin«, sagte ich.
Im Gesicht des Polizisten zeigte sich nicht die allerkleinste Regung.
Unbeholfen stand er ein Weilchen in der Tür, und dann sagte er, es gebe einige Formulare auszufüllen und er sei nur gekommen, um mir zu zeigen, wo ich hinmüsse. Ob ich die Formulare nicht auch hier auf der Station ausfüllen könne, fragte ich. Meine Tochter sei jetzt wach und ich wolle sie nicht allein lassen.
Er sagte: »Es dauert nur einen Moment.« Er sagte: »Hier lang.«
Ich beugte mich zu Meadow hinunter.
»Hase«, flüsterte ich.
Ihre Lider zuckten, und sie schlug die Augen auf.
»Ich muss mal kurz weg, eine Minute. Okay?«
Sie nickte. »Okay.«
»Ich bin sofort zurück«, sagte ich.
»Du bist sofort zurück?«
»Ja«, sagte ich.
Sie legte ihre Hand auf meine. »Versprochen?«
»Versprochen.«
Das waren meine Worte.
Als ich aus dem Zimmer trat, sah die Aufnahmeschwester zu mir hoch und wandte hastig den Blick ab. Sonst war keine Menschenseele zu sehen.
Der Korridor war endlos. Beim Gehen schien sich der Subtext zwischen uns prismenartig zu vertiefen. Mein Begleiter ging sehr dicht neben mir, jedoch mit lässig federnden Schritten. Ich spürte seine Leinenjacke an meinem nackten Arm und hörte das Klimpern seiner diversen Gewaltutensilien. Wir bogen um eine Ecke. Wieder ein Korridor. Vor lauter Anspannung krampften sich meine Gedärme zusammen. Fast wäre ich stehengeblieben. Fast wäre ich stehengeblieben, hätte ihn am Arm gepackt und gerufen: Was wollen Sie von mir , verdammte Scheiße ? Aber dann blieb er plötzlich stehen. Er bedeutete mir, durch eine Schwingtür am Ende des Korridors zu treten. Er bat mich, einfach hindurchzugehen, und dann sähe ich auch schon die Anmeldung. Ich konnte meine Überraschung kaum verbergen. Er wollte mich gehen lassen? Hatte ich irgendeinen Test bestanden bei diesem Spießrutenlauf? Ich nickte ihm zu. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, legte ich die etwa zwanzig Schritte zurück. Als ich mich durch die Tür schob und in das Sonnenzimmer mit der gläsernen Decke kam, da dachte ich: Vielleicht muss man wirklich manchmal einfach nur daran glauben, dass alles gut wird.
Die Polizisten, die auf mich warteten, muss ich irgendwie erschreckt haben. Sie wirkten nicht ganz vorbereitet, als ich mit großen Schritten das Sonnenzimmer betrat. Es waren zwei, ein großer Schwarzer und eine weiße Frau mit breitem Kreuz, die entspannt dastanden und sich leise unterhielten, und sie mussten über die Stühle springen, als ich mich umdrehte und losrannte. Dann war alles klar. Die Feindschaft war klar und dass es zum Kampf kommen würde. Ich war schon durch die Schwingtür durch und rannte bereits mit reichlich Vorsprung in Richtung Kinderstation, als sie mit lautem Getrappel die Verfolgung aufnahmen. Leute glotzten und blieben wie angewurzelt stehen. Ein Arzt, der sich im Korridor über eine Liege beugte, hielt schützend eine Blase mit Flüssigkeit hoch. Alle wirkten wie gelähmt, da keiner wusste, wer hier der Gute und wer der Böse war. Schau her. Schau mich an. Stell mich dir vor. Ich, ein Mann von vierzig Jahren in kariertem Hemd und sandiger Khakihose. Ich schlitterte in Meadows Flur, wo mir, genial ausgetrickst, mein altbekannter Gegner mit ausgebreiteten Händen entgegentrat.
»Lassen Sie mich mit meiner Tochter sprechen«, sagte ich.
»Langsam«, rief er, eine Hand erhoben. »Ganz langsam jetzt. Was machen Sie denn schon wieder hier?«
Die beiden anderen Beamten hatten mich inzwischen eingeholt und zerrten mich an den Schultern zurück. Sie packten mich, und ich merkte, wie meine Eingeweide schmolzen und die Hoffnung aus mir heraussickerte. Meine Knie gaben nach, die beiden Beamten mussten mich stützen, indem sie meine Taille umfassten. Endlich , sagte mein innerer Peiniger, die Umarmung, die jede Liebesgeschichte beendet .
»Moment«, schaltete der Wortführer sich ein. »Moment. Nicht hier, Leute. Ganz ruhig.«
» Bitte « , flehte ich ihn an. »Geben Sie mir eine Minute, um mich zu verabschieden.«
»Das können Sie sich abschminken. Langsam jetzt. Langsam. Nicht hier, Leute.«
Jetzt warf ich mich mit einer Art verzweifeltem Flehen dem wortführenden Polizisten entgegen, und mein Kinn kam auf seiner Schulter zu liegen. In dieser innigen Haltung konnte ich an ihm vorbei und durch den Korridor sehen. Ganz hinten stand ein Sicherheitsbeamter vor Meadows Tür und beobachtete mich. Die Ärztin im weißen Kittel schloss Meadows Tür und huschte davon. Aus dem
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