Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
zweite Frau war kräftiger gebaut als die erste. Durch ihre gerötete und mit Akne übersäte Haut sah sie der ersten auf groteske Weise ähnlich. Sänger tastete ihre Lymphknoten ab. Sie waren dick geschwollen. Schon bei der ersten Berührung schreckte die Frau mit verzerrtem Gesicht zurück.
"Was haben sie gegessen? Irgendetwas Außergewöhnliches?"
"Nein, ganz normale Sachen, wie sonst auch", stöhnte die kräftige Frau.
"Und Sie?"
"Ich habe auch nichts Außergewöhnliches zu mir genommen. Es juckt und zieht, bitte helfen Sie mir."
Stefan Sänger untersuchte die beiden Patientinnen eingehend und stand vor einem Rätsel. "Kennen Sie beide sich, stehen Sie irgendwie in Kontakt zueinander?"
Sie sahen sich fragend an und verneinten einstimmig. Nach kurzer Zeit wusste Sänger sicher, dass sie wirklich nichts gemeinsam hatten, bis auf die Tatsache, in benachbarten Stadtteilen zu wohnen. Er ging zum Waschbecken und nahm die Krankenschwester zur Seite. "Lies, gib ihnen viel Calcium, das wird vielleicht helfen."
"Was haben sie denn?", fragte die Krankenschwester mit professioneller Neugier.
"Ich bin mir nicht sicher. Allmählich habe ich eine Vermutung, … aber das kann ich mir kaum vorstellen."
Stefan Sänger kam in sein Büro. Ihm war klar, dass es sich um irgendeine Vergiftung handeln musste. Die beiden Kinder vor ein paar Wochen hatten dieselben Symptome gezeigt. Er musste sich noch einmal mit dem Gesundheitsamt in Verbindung setzen.
"Hier ist Sänger, Herrn Lasky, bitte."
"Der ist in Urlaub."
"Hat er einen Vertreter?"
"Frau Doktor Steglitz weiß am besten Bescheid, Augenblick."
Es knackte in der Leitung.
"Tag Frau Steglitz, Sänger hier, Klinikum. Ich habe Herrn Lasky vor einigen Wochen zwei Fälle von eigentümlichen Hautallergien gemeldet. Wissen Sie etwas darüber?"
"Ja, ich kenne den Fall. Warum?"
"Gerade sind zwei weitere Patienten in die Notaufnahme eingeliefert worden. Sind Sie Toxikologin?"
"Ja, darf ich die Patienten sehen?"
"Natürlich. Hat Lasky etwas herausgefunden? Er hat sich nicht mehr bei mir gemeldet."
"Ich komme gleich einmal raus zu Ihnen."
*
Vogler stand vor Montags Schreibtisch und machte eine lässige Bewegung mit der rechten Hand. "Es passt alles zusammen: Die ICCO steht nämlich bereits seit einem halben Jahr in Verhandlungen mit einer Firma in Montabaur. Es gibt einen Optionsvertrag über große Mengen an natürlichem Tonmaterial."
"Das ist ja ein Ding!", entfuhr es Montag. "Woher wissen Sie das?"
"Ich hab mir die Telefonnummern der Tongrubenbesitzer im Westerwald rausgesucht. Und da hab ich mich am Telefon jeweils für einen Mitarbeiter der ICCO ausgegeben und wollte den zuständigen Verkaufsleiter sprechen. Die Tongruben sind ja übersichtliche Firmen, so dass ich schon zu Beginn gemerkt hab, ob der Name ICCO bekannt ist oder nicht. Nach dem siebten Anruf hatte ich die Firma. Sie sehen, auch heute noch arbeitet die Kriminalistik oft mit alten und mühsamen Methoden." Vogler stützte sich auf den Schreibtischkante. "Und jetzt frage ich Sie: Was für einen Sinn hat es für die ICCO, eine Option auf Tonmaterial auszuhandeln?"
Montag sah ihn an wie ein Weltwunder. "Das ist genial. Sozusagen der Beweis dafür, dass die eine Untergrundabdichtung bauen wollen. Einen anderen Grund gibt es nicht."
*
Schröder saß im Zug und war kurz vor Wien. Vor einigen Jahren hatte er dort fünf Tage Kurzurlaub verbracht. Er konnte sich noch genau an diese Stadt erinnern. Der Zug fuhr am Südbahnhof ein und ließ die eisernen Räder kreischen. Er verließ den Waggon und schritt die langen Rollbänder entlang, vorbei an den großen schwebenden Stahlkugeln, aus denen sich zwei riesige Augen wie aus fernen Sphären über die Rollbänder hinweg die Uhrzeit zublinzelten.
Er betrat eine Telefonzelle und wählte die Nummer von Vennmeier. Kurz darauf meldete sich eine männliche Stimme.
"Mein Name ist Schröder. Spreche ich mit Doktor Ludwig Vennmeier?"
"Ja, Sie liegen richtig. Sind Sie der Bekannte von Frau Doktor Steglitz?"
"Genau. Kann ich Sie treffen?"
"Nennen Sie mir ein Kaffeehaus, das Sie kennen."
Schröder fiel ein Café ein, das zentral lag und in dem er damals öfter gewesen war. "Am Karlsplatz kenne ich eines, Ausgang Operngasse, die Rolltreppe endet direkt am Eingang des Lokales. Wie heißt es gleich ...?" Schröder überlegte.
"Am Karlsplatz? Das Café Museum werden Sie meinen", half Vennmeier.
"Ja genau, das meine ich!"
"Fein. Ich treffe Sie dort in einer halben
Weitere Kostenlose Bücher