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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Ständen mit Second- oder Thirdhand-Kleidern, elektronischen Geräten der letzten und vorletzten Generation, mit Büchern, Vinylschallplatten, Kaffeekännchen mit Goldrandmuster, geschnitzten Statuen. Angela Legler schielte auf eine Lederjacke, wagte es aber nicht, stehen zu bleiben. Um die musste sie sich später kümmern. Zita Elmer interessierte sich nicht für den ganzen Kram. Sie mochte neue Sachen, ob Möbel, Kleider, Geschirr – dieses Freiluft-Altwarenlager hatte für sie keinen Reiz. Sie fragte sich, woher denn immer neue alte Sachen kamen. Musste nicht irgendwann das ganze alte Geschirr kaputt sein? Sämtliche 50er-Jahre-Radios funktionsunfähig? Alle Großmutterkleider zerschlissen? Sie warf einen angewiderten Blick auf einen Flamingo aus rosa Porzellan, der einen Aschenbecher verzierte. Glücklicherweise waren ihr Mann und sie sich darin einig. In ihrer Wohnung gab es keine wackligen Antiquitäten, keine verblichenen Teppiche, und das geblümte Teeservice der Urgroßmutter, das ihre Mutter ihr als Hochzeitsgeschenk angeboten hatte, hatte sie so unmissverständlich abgelehnt, dass ihre Mutter ziemlich gekränkt gewesen war.
    »Wo ist denn der Stand?«, fragte Zita Elmer mit Ungeduld in der Stimme.
    Angela schaute sich um. »Es sind nicht alle jede Woche am gleichen Ort«, erklärte sie. Die beiden Frauen gingen ums Kanzleischulhaus herum, an der Kinobaracke vorbei. Plötzlich stoppte Angela.
    »Dort«, sie wies mit einer Kopfbewegung auf einen Stand etwas weiter hinten, beim Zaun, neben der Pyramide.
    »Ist es dieselbe Verkäuferin?«, fragte Elmer.
    »Ja«, nickte Legler, »aber sie hat weniger Ware.«
    Die Verkäuferin schützte ihren Stand mit einer Art Zeltdach, das allerdings nicht besonders groß war. Und die Waren brauchten den Schutz vor dem Wetter. MP3-Player, CD-Spieler, zwei Laptops, ein Mini- TV-Apparat. Sah alles ganz neu aus.
    Polizistin Elmer kam die Händlerin vage bekannt vor. Sie ging rasch auf den Stand zu, zeigte der jungen Frau ihren Ausweis und verlangte den ihren. Diese schien nicht zu verstehen, kramte hastig ein etwas knittriges Formular hervor, das sie zu einem Platz auf dem Flohmarkt berechtigte, dann, als Elmer ungehalten den Kopf schüttelte, die Identitätskarte. Ihr Blick glitt über Angela Legler, aber sie schien sie nicht wiederzuerkennen. ›Raffaela Zweifel‹ las Elmer im Ausweis der Verkäuferin; der Name sagte ihr etwas. Sie kam nur nicht gleich darauf, was. Sie wandte sich an ihre Zeugin: »Haben Sie am letzten Samstag an diesem Stand, von dieser Frau ein neuwertiges Cannondale-Mountainbike für 300 Franken gekauft?«
    »Ja«, bestätigte Angela Legler.
    »Haben Sie«, Elmer richtete sich an Raffaela Zweifel, »dieser Frau vor einer Woche hier ein Mountainbike verkauft?« Raffaela Zweifel schien ziemlich unbehaglich zumute zu sein.
    »Ich kann mich an diese Frau nicht erinnern«, erklärte sie. »Und ob ich ein Fahrrad verkauft habe, weiß ich ebenso wenig.«
    »Es handelte sich um ein gestohlenes Fahrrad«, klärte sie Polizistin Elmer auf. »Woher beziehen Sie Ihre Ware?«
    Es waren im Moment, wohl wegen des Wetters und der frühen Stunde, nicht viele Leute auf dem Areal. An einem Stand nebenan war man deshalb auf die Szene aufmerksam geworden.
    »Raffi, hast du ein Problem?«, schaltete sich ein Händler ein.
    »Was hat denn diese Schmiertante hier verloren?«, wollte ein anderer wissen. Er fragte es ziemlich laut, sodass sich auch zwei Stände weiter Köpfe hoben. Elmer war an solche Situationen gewohnt, das schreckte sie nicht und sie reagierte rasch.
    »Wir führen die Befragung auf dem Posten weiter.«
    »Und mein Stand? Meine Ware?«
    »Das wird alles abgeräumt«, beschied ihr Elmer. »Die verkaufen Sie erst, wenn geklärt ist, woher alles stammt. Das Fahrrad vom letzten Samstag wurde jedenfalls aus dem FahrGut entwendet.«
    Nun schaute Raffaela Zweifel erschrocken drein. »Scheiße! Wie stellen Sie sich das vor?«, beschwerte sie sich nervös. »Ich kann doch jetzt meinen Stand nicht abräumen, wo alles zugestellt ist. Ich komme ja mit dem Auto nicht bis hierher.« Elmer bestellte per Handy Verstärkung, zwei Streifenpolizisten, die sich um das Problem kümmern würden. Zweifel, überlegte sie, hieß so nicht die alte Frau, die über dem FahrGut wohnte? Die mit der liebenswürdigen Großnichte, die sich um sie kümmerte?
     

2. Teil
    Auf dem Posten nahm Elmer Angela Leglers Aussage auf. Sie hatte die Verkäuferin des Fahrrades zweifelsfrei wiedererkannt.

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