SchrottT (German Edition)
sind. Wir alle, zusammen.«
Jetzt setzte der Bass-Sequencer ein, und Colin griff nach seiner Violine. Er strich die Noten so langsam, dass ihm fast die Tränen kamen. Dann sang er das Lied.
»Meine Mama weiß heut’, that I’m here …«
»Eine halb so politische Ansprache hätte auch genügt«, sagte James, als er sich in der winzigen Garderobe auf einen klapprigen Stuhl fallen ließ. »Aber ignorier mich einfach. Solange wir Erfolg haben, sind Beschwerden wie ein Furz im Wald – wen interessiert’s? Stimmt’s nicht, Tier?«
Der Drummer brummte undefinierbar und fuhr fort, seinen Computer mit Wattestäbchen zu reinigen.
Colin rümpfte die Nase. »Und die haben hier wirklich keine Dusche?«
»Sag nicht, das wusstest du nicht. Und sag erst recht nicht, das mit dem Bier war ein Versehen«, grinste James.
»Äh, doch. Ich stinke furchtbar, oder?«
»Egal«, zischte James und sah an Colin vorbei.
»Stimmt. Wir haben heute echt den Leuten den Rost von den Zahnrädern gerockt. Wir …«
»Vielleicht wäre auch halb so politisch zu politisch gewesen«, murmelte James. Er zeigte auf die Garderobentür. Colin fuhr herum, um zu sehen, was der Gitarrist meinte.
Im Türrahmen standen zwei schlaksige Herren in dunklen Anzügen. Garantiert von der GmbH. Und garantiert keine Fans der Zugabe.
»Wollen Sie Autogramme?«, fragte Colin trotzdem. Wenn er schon eingebuchtet wurde, dann wenigstens mit einem coolen Spruch. Wer wusste schon, vielleicht würde ja mal jemand die Aufzeichnungen der Überwachungskameras in diesem Raum in die Finger bekommen und dann wissend nicken: Ja, der Colin von SchrottT, der hatte es drauf.
»Gerne«, sagte der eine der beiden Männer. Er trug eine kreischbunte Krawatte und einen Ziegenbart. »Schreib einfach: Für Moritz, den findigsten Talentscout diesseits des Atlantiks.«
»Ist ein bisschen lang«, brummte Colin. »Wollt ihr mich erst noch ein bisschen verarschen oder lieber einfach festnehmen?«
Der zweite Mann trat vor. »Für beides haben wir keine Zeit, wir müssen diese Nacht noch zu zwei weiteren Shows.«
»Das Geschäft ist schnelllebig, müsst ihr wissen.«
»Wissen wir«, behauptete James.
»Ihr seid tot, bevor ihr richtig oben seid. Es sei denn …« Der Mann, der sich Moritz genannt hatte, streichelte seinen Ziegenbart. »Es sei denn, ihr vertraut euch unserer professionellen Agentur an. Dann könnt ihr immerhin kräftig absahnen, bevor euer Stern in eins Komma zwei Wochen wieder sinkt.«
»In eins Komma zwei Wochen?« Colin machte große Augen.
»Korrekt. Das ist das exakte numerische über die letzten Jahre ermittelte statistische Mittel der Aufmerksamkeit der Popmusik konsumierenden Bevölkerung.«
»Wir machen keine Popmusik!«, sagte Colin nachdrücklich, weil Hungerhaken Wolf nicht da war, um das zu erledigen.
»Papperlapapp!«, wischte Moritz den Einwand beiseite. »Eure Meinung in dieser Hinsicht ist irrelevant. Dazu gibt es ebenfalls exakte numerische …«
»Was genau wollt ihr eigentlich?«, wollte Colin wissen. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sehr einfach. In kürzester Zeit das Maximum aus eurem Ruhm herausholen. Ihr tourt durch Deutschland und kassiert erhebliche Gagen. Na ja, verhältnismäßig erhebliche Gagen.«
»Und diese … erheblichen Gagen, sind exakt numerisch … wie hoch?«
Moritz grinste. »Zehntausend. Pro Show. Wir dachten an München, Frankfurt, Chemnitz, Hannover, Gelsenkirchen … fünf oder sechs Clubs und Locations, mit denen wir vortreffliche Geschäftsbeziehungen haben.«
»Zehntausend?«, gluckste James.
»Wir wollen zwölftausend«, kam ein Krächzen aus dem Hintergrund. Alle Blicke richteten sich auf Tier, aber er hielt ihnen stand.
»In Ordnung«, sagte Moritz.
Colin musste husten. »Krass!«
»Dafür behalten wir zu hundert Prozent die Einnahmen aus Musikdownloads für ein Jahr. Danach interessiert sich eh keiner mehr für euch. Mein Kollege hat bereits die Verträge vorbereitet, während wir miteinander verhandelt haben.« In der Tat stöpselte Agent Nummer zwei gerade einen Drucker an sein Pad.
»Ihr seid verdammt schnell«, staunte Colin. »Wann geht’s los?«
»Ihr trefft euch in den nächsten Tagen mit eurem persönlichen Tourmanager. Der kümmert sich um alles Weitere.« Moritz griff nach der Papierschlange, die der Drucker seines Kollegen ausspuckte. Sah ein bisschen wie ein altmodischer Kassenzettel aus. »Hier, eure Kopie des Vertrages. Wir müssen dann mal wieder.«
»Äh«, machte
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