SchrottT (German Edition)
Colin. »Haben wir nicht was vergessen?«
Moritz sah sich um. »Nein, was denn?«
»Unsere Unterschriften vielleicht?«
Der Talentscout grinste. »Maschinell ausgestelltes Dokument. Ohne Unterschrift gültig. Sogar, ohne es zu lesen. Nun aber schnell, die Schifferklaviere des Todes fangen sonst ohne uns an. Ruft uns nicht an, wir rufen euch an.«
Sekunden später stand die Band allein in der Garderobe und starrte die leere Tür an.
»Haben wir das geträumt?«, fragte James.
Colin hob wortlos die Papierschlange hoch, auf der in kleinsten Buchstaben juristische Floskeln aneinandergereiht waren.
»Und von was für Schifferklavieren hat er da geredet?«
»Vermutlich die Band, die sie als Nächstes anhören.« Colin hob und senkte die Schultern.
»Cool. Aber wir heißen cooler.«
»Ich wünschte, Wolf könnte das erleben«, sagte Colin.
»Weißte …« Tier winkte mit seinem Handy. »Ich will ja nix sagen, aber habt ihr schon mal drüber nachgedacht …« Er verstummte.
»Was?«
»Ich mein ja nur … es gibt da Hinweise in Blogs und Networks … dass es kein Zufall war. Das mit dem Auftritt an der Uni.«
»Versteh ich nicht«, gab Colin zu. »Welcher Auftritt?«
»Ich fürchte«, sagte James, »das passt zusammen. Wolf hat irgendwie dafür gesorgt, dass diese andere Band ausfiel, sodass wir auftreten konnten.«
»Glaub ich nicht«, schnappte Colin. »Obwohl …« Er musste zugeben, dass das nicht unmöglich klang. »Sollte er wirklich …« Er schüttelte den Kopf. »Vermutlich haben wir gerade unsere Seelen verkauft, aber … wir gehen auf Tour!«
»Scheißegal«, sagte James. »Gibt’s hier noch irgendwo Bier?«
»… wir gehen auf Tour«, sagte Colin langsam. »Durch Deutschland. Wir drei.«
»Prost!« James hatte offenbar sein Bier gefunden.
»Vier«, sagte Tier und hielt seinen Drumcomputer hoch.
Ruhrstadt, Hölle, Ofengeschoss
Zweieinhalb verzieht das Gesicht. Früher hat er das nie getan, vielleicht klappt das nur in einem Fiebertraum. »Das war keine besonders lustige Geschichte«, sagt er. »Es kamen nicht einmal trottelige Tiere darin vor.«
»Das stimmt«, gibt Colin zu. »Aber ein menschlicher Trottel, ich. Ich habe wirklich geglaubt, die Agenten würden uns unterschätzen. Ich wollte Ruhm für immer, nicht für anderthalb Wochen.«
»Dumme Tiere sind amüsant, dumme Menschen bemitleidenswert«, sagt Zweieinhalb und verschränkt die Arme. »Wenn sich eine Ringeltaube auf dem Dach alle Mühe gibt, um ein Weibchen zu werben, aber das fliegt dann weg und das Männchen eilig hinterher – bumms – vor einen zufällig vorbeikommenden Zug, dann ist das witzig. Wenn ein Mensch so was macht, ziehen die Leute schwarze Sachen an und weinen.«
»Um über die arme Taube zu lachen«, sagt Colin, »habe ich als Kind nicht genug Road Runner und Coyote gesehen. Meine Mutter hat lieber mit mir Lieder gesungen und Bilder gemalt. Wir haben sogar im Herbst draußen bunte Blätter eingesammelt und auf große Papierbögen geklebt.«
Zweieinhalb wiegt den Kopf hin und her. » Das könnte eine halbwegs witzige Geschichte werden, aber leider ist deine Runde vorbei. Du darfst dir jetzt aussuchen, welche Gliedmaße du nicht mehr brauchst.«
»Blinddarm«, antwortet Colin.
Ein freundliches, aber mitleidiges Kopfschütteln zeigt ihm, dass die Sache ernst ist. »Das kann ich nicht gelten lassen«, sagt Zweieinhalb. »Darf ich dir eine taktische Empfehlung geben? Von Experte zu Anfänger, sozusagen?«
»Unbedingt.«
Zweieinhalb zeigt auf das Spielbrett. »Verzichte auf deine linke Hand.« Er macht eine abwehrende Geste. »Warte, bevor du etwas sagst. Viele Leute glauben, eher auf einen Fuß verzichten zu können. Bis sie eine Treppe steigen oder mit ihren Enkeln Fußball spielen wollen. Dann wünschen sie sich, sie hätten auf die linke Hand verzichtet. Immerhin genügt für die meisten Tätigkeiten die rechte.«
Colin hätte jetzt gerne Kopfschmerzen.
Schön geradlinige, wahlweise auch pochende Kopfschmerzen, gegen die keine Tablette hilft und die selbst nach einer Mütze Schlaf bleiben wie die Löcher in den Backenzähnen, die Narben von der ersten Impfung und die Erinnerung an die erste bekleckerte Schlafanzughose.
Leider hat Colin keine Kopfschmerzen, sondern er ist so gut wie tot und spielt alberne Spiele, die das unvermeidliche Ende nur verzögern. Er sieht Zweieinhalb an, dann macht er zwei kurze Schritte und betrachtet seinen Gegner von der Seite.
»Du bist ganz schön dünn«,
Weitere Kostenlose Bücher