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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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schwarzer Popeline. Ich muss mich beherrschen, den Stoff nicht einfach zu berühren. Vielleicht würdest du glauben, ich wolle wieder etwas abreißen. Ich lasse meine Hände in den Taschen.
    Der Wind schlägt deinen Mantelkragen hoch, als du dich umdrehst und vor dem dicken Stamm einer Platane stehen bleibst. Du lehnst dich dagegen, als hättest du auf diesen Moment gewartet. Als seien die Parfümerien, die Schiffschaukel und all das Eis nur ein Vorwand gewesen, um irgendwann hier zu lehnen. Du blickst auf den See und stehst im Sonnenlicht, selbst ein Stamm, der nach Rosmarin und Sandelholz riecht und an dessen rauer Breitseite ich meine Wange wärmen, den ich besteigen könnte, mein Ohr in eine Astgabel legen und hören, wie das Holz leise seufzt. Mein Kuss züngelt nach oben, frisst deinen Atem, mit engelblauer Zunge, während meine Hand an deine Hose fährt. In Sekunden bist du bereit. Wir gehen. Es ist nie weit bis in eine Wohnung.
    Später, als die Sonne untergeht, taumeln wir in die Küche. Lora ist da, murmelt ein kratziges Hallo. Sie mustert mich. Ihr Blick fühlt sich eigentlich an wie deiner, nur kälter und irgendwie spiegelverkehrt. Gedankenverloren öffne ich eine Dose Thaisuppe. Alle drei starren wir den Topf an, bis es daraus zu dampfen beginnt und ich die Suppe vom Herd nehme. Ich fasse an die Unterseite des Topfes, völlig vergessend, dass sie genauso heiß ist wie die Platte. Ich fluche leise, stelle den Topf zurück aufs Glaskeramikfeld, du drehst kaltes Wasser auf. Lora verschwindet auf der Veranda. Während der Wasserstrahl über meine Hand rinnt, verteilst du die Suppe in Schüsseln. Ein Blatt vom Holunder weht herein. Du nimmst zwei Porzellanlöffel aus dem Schrank. Am westlichen Horizont hat der Sommerwind ein paar Gewitterwolken zusammengebauscht. Von Osten her lockt die Innenstadt, das übliche Samstagsflirren liegt in der Luft.
    Wir schleusen uns bald selbst durch die Nachtmeilen der Stadt. Zwischen Lampionketten, roten Neonbuchstaben und gelb blinkenden Ampeln schlendern wir von Bar zu Bar. In den Straßen perlt eine pisswarme Champagnernacht. Ich betrinke mich an dem prallen Strom aus Lichtern und Menschen. Bei jedem Schritt wird mir ein Quäntchen schwindliger. Das Licht wird heller, die Cafés sind Karusselle, die Hochhäuser wuchtige Sprungtürme. Der Abend flattert im Wind wie eine blonde Strähne. Aber statt mich irgendwo festzuhalten, spreize ich die Finger, als Federn, als Flügel, die mich im Lot halten. Einer hält mich an der Schulter fest, will mir ein verschweißtes Tütchen mit vier Pillen andrehen, ich lache ihn aus. Plötzlich platzt der Gewitterhimmel und schifft uns seinen klaren Saft ins Haar.
    Gegen vier Uhr morgens sind wir zurück in meinem Zimmer. Die Regentropfen am Fenster sehen wie winzige Wahrsagekugeln aus. In regelmäßigen Abständen verliert eine den Halt und kullert in die Tiefe, ein paar andere mitnehmend, und zerschellt. Deine Hand berührt meinen Nacken. Etwas unter meiner Haut beginnt sich zu winden, zu krümmen, zu kriechen. Mir wird schlecht. Ich hatte zu viel vom Champagner, vom Schiffschaukeln, von dir. Ich schwanke. Ein eifersüchtiger Gott rührt meinen Magen um. Ich lehne mich vorsichtig aus deiner Reichweite und sage, dass du gehen sollst. Du lässt deine Hand fallen. In deinem Blick ist keine Überraschung.
    Etwas in meinem Inneren verschiebt sich, ein Pol wandert. Was mich an dir angezogen hatte, stößt mich ab. Dein Geruch, vom Regen verstärkt, macht mich aggressiv. Ich verblüffe mich selbst, wie barsch ich dich wegschicke, kommentarlos. Mein Körper rebelliert gegen dich. Würdest du länger bleiben, würde ich beginnen, dich zu beleidigen. Ich würde Ekelhaftigkeiten gegen deine Brust klatschen, nur damit du mir nicht nahe kommst. Ich kenne mich. Es war immer so. Auch bei anderen Männern. Beim kleinsten Unbehagen muss ich die Reißleine ziehen. Sonst fange ich an, Sternchen zu sehen, brutal zu werden, Dinge zu zerschlagen. Es ist das Theater nicht wert. Ich bin widerlich, wenn ich auf umgekehrter Polung laufe.
    Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass ich bald den Bassmann sehen werde, dass wir spielen werden bis spät in die Nacht. Dass ich in meiner Musik verschwinden werde und alles vergessen, dich vergessen. Dass ich dich nicht sehen und nicht ficken will, denke ich weiter, für mindestens zwei Wochen nicht. Bis du aus dem System gespült bist. Ich muss klarkommen. Um sicher zu sein, dass du das Haus verlässt, begleite ich dich zur

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