Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
Schritte sind leise, aber sie werden lauter. Kommen näher. Mein Puls rast, und ich rutsche zum Kopfende meines Bettes und drücke den Rücken dagegen, was ein paar nutzlose Zentimeter mehr zwischen mich und was auch immer da in meinem Zimmer auf mich zugeglitscht-gestolpert kommt, bringt.
Ich weiß, ich muss abhauen, mich in Sicherheit bringen. Doch ich kann nicht. Ich bin wie erstarrt, perverse Neugier und lähmende Furcht kämpfen in mir um die Vorherrschaft, während ich die Tür anstarre, die leise knarrend aufschwingt.
Meine Tür sollte nicht knarren. Das hat sie noch nie getan. Aber jetzt tut sie es, und eine aschfahle Hand schiebt sie am Griff ganz auf.
Mein Atem geht viel zu schnell. Ich will losschreien. Mein Schrei hat mich noch nie im Stich gelassen, doch in diesem Augenblick ist meine Stimme genauso funktionsuntüchtig wie der Rest meines Körpers. Paralysiert. Wartend. In blankem Entsetzen.
Schweiß rinnt meine Wirbelsäule hinab. Ich spüre ihn auf meiner Stirn ausbrechen und die Innenseite meiner Ellenbeugen feucht werden lassen. Die gräulich aussehende Hand führt zu einem Gelenk, das zu einem Arm führt. Dann taucht die dazugehörige Schulter auf, und ehe ich auch nur ein Keuchen herausbringe, ist sie da. Steht in meiner Tür. Starrt mich mit toten, milchigen Augen an.
Mit jedem meiner abgehackten Atemzüge dringt ihr Gestank mir in Mund und Nase. Faulig, erdig. Wie etwas, das still und friedlich in seinem Grab liegen und keine dickflüssigen, bestialisch stinkenden Körpersäfte auf meinen Teppich tropfen lassen sollte.
Aber das Grauenvollste ist, dass sie, obwohl sie eigentlich blind sein müsste, mich sehen kann. Ich fühle es. Ihre ausgetrockneten Lippen dürften nicht in der Lage sein, sich zu bewegen, und doch öffnen sie sich. Und obwohl Haut und Fleisch ihres Halses bereits komplett zersetzt sind und den Blick auf die weißen Knochen freigeben, kann sie ihre Stimme gebrauchen. Und ich erkenne sie sofort.
Niemals könnte ich sie vergessen, auch wenn ich sie mit drei Jahren das letzte Mal gehört habe. In der Nacht, als sie starb. Als ich starb und sie meinen Platz einnahm.
Diese wankenden, einen unerträglichen Verwesungsgeruch ausströmenden sterblichen Überreste waren die meiner Mutter.
„Ich will es zurück“, sagt sie, und anfangs ist es nur ein heiseres Flüstern. Sie hat ihre Stimme seit dreizehn Jahren nicht mehr benutzt. „Du hast es vergeudet, und ich will es wiederhaben.“
„Mom?“ Dass ich selbst auch wieder sprechen konnte, bemerkte ich erst, als ich das Wort aus meinem Mund kommen hörte. Wie sehr ich mir immer eine Chance gewünscht hatte, noch einmal mit ihr zu reden, nur ein einziges Mal. Aber nicht auf diese Weise. Das hier ist nicht richtig, es ist so bizarr, so unnatürlich und krank, dass ich einfach nicht glauben kann, dass es wirklich geschieht. Und doch gelingt es mir nicht, mir einzureden, es könne gar nicht real sein. Nicht bei diesem Geruch, der in der Luft hängt. Nicht, während ihre Hände sich nach mir ausstrecken.
„Du weißt es nicht zu schätzen. Du lebst nicht, sondern stirbst nur langsam, mit jedem Tag ein bisschen mehr.“ Jedes Wort ist eine sichtbare Anstrengung für sie, aber sie lässt nicht locker. „Gib es mir zurück.“ Sie schwankt weiter, immer dichter zu mir heran, und ein Teil von mir registriert flüchtig, wie ihre Beine nicht mehr richtig mitmachen wollen und immer wieder wegknicken. Das eigentliche Wunder aber ist, dass sie überhaupt noch vorhanden sind und ihren Dienst tun. Nach dreizehn Jahren unter der Erde sollte nichts weiter als ein Gerippe von ihr übrig geblieben sein.
Meine Haut kribbelt und sticht, und Angst ist der Motor, der mich am Leben hält. Ich will weglaufen, und ich bin mir ziemlich sicher, ich könnte es jetzt. Körperlich. Aber ich kann nicht vor ihr davonlaufen. Sie ist tot und mit einem zum Himmel stinkenden, schleimigen Film überzogen, und dennoch ist sie meine Mutter.
„Mom?“, wiederhole ich und warte in der Hoffnung, dass sie mich versteht. Sich an mich erinnert. So wie ich mich an sie. In ihren getrübten Augen ist keine Wärme. Keine Liebe. Sie sind leer, und ihre Stimme klingt hart und unbarmherzig.
„Du jammerst. Hörst nicht zu. Weigerst dich zu leben. Du wagst es nicht, Risiken einzugehen, und erreichst deshalb nichts. Und das wirst du auch nie.“
Erschütterung und Abscheu brennen quälend in meiner Brust, fressen mich wie gierige Flammen von innen heraus auf. Ihre Worte
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