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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Sie da?« Ihre Stimme klang dünn wie Seidenpapier.
    Instinktiv wusste sie, dass sie da war. Vielleicht hatte sie ihren Schatten wahrgenommen, vielleicht hatte sie etwas gehört. Als sie gerade ihre Faust hob, um noch einmal gegen die Tür zu wummern, blickte sie durch das Fenster rechts ein bleiches Gesicht an. Das Gesicht öffnete seinen Mund – entsetzt –, als wolle es schreien. Doch Viktoria hörte keinen Ton. Dann bekreuzigte sich die bleiche Frau, ging einen Schritt rückwärts und verschwand im Dunkel des Zimmers.
    Viktoria klopfte noch einmal. Es blieb still. Auch als sie sich umdrehte und am Zwinger vorbeiging. Der Rottweiler stand einfach da und rührte sich nicht. Speichel tropfte von seinen Lefzen. In ihren Augen brannte salziger Schweiß.
    Ich wusste, dass du kommen würdest. Irgendwann. Aber du bist spät dran. Viel zu spät. Du bist verdammt noch mal zu spät gekommen. Du, mit deinem kleinen Mund, mit deinen zarten Fingerchen. Durch deine süße Stupsnase wirst du nicht mehr lange atmen. Und fang bloß nicht an zu schreien. Du bist selbst schuld. Mit deinen langen Wimpern wirst du nicht klimpern. Ha, das reimt sich! Fang jetzt bloß nicht an zu lachen. Jetzt ist Schluss mit den Scherzen. Ich will meine Ruhe haben. Fang bloß nicht an zu strampeln. Still, still jetzt! Halt still, du Bastard!

7. Kapitel
     
    Harry war nicht da. So musste Viktoria die Cola wohl oder übel bei Rosa bestellen. Die nutzte ihre Chance, während sie das Glas im Schneckentempo aus dem Regal holte, um genauso langsam die Flasche aus dem Kühlschrank unter dem Tresen zu nehmen, und redete auf ihr Gegenüber ein: »Sie sind Journalistin, nicht?«
    Viktoria nickte.
    »Das hat mir der Gregor von den TN erzählt, Sie wissen schon, von den Telgter Nachrichten .«
    Viktoria versuchte ein höfliches Lächeln. Doch ihr seltsamer Ausflug zu Martha Lütkehaus hatte sie nicht gerade fröhlich gestimmt. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu.
    Aber sie riss sich zusammen. Sie hatte schließlich einen Auftrag, den galt es zu erfüllen. »Sagen Sie mal, Frau König …«
    »Ach, nennen Sie mich einfach Rosa. So nennen mich alle hier, sogar Harry. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich bin die Rosa.«
    Vielleicht ist sie ja farbenblind, dachte Viktoria gnädig und versuchte, nicht zu sehr auf das unglaubliche Blumenmuster ihrer Kittelschürze zu starren. »Sie haben ganz recht. Ich bin Journalistin und soll einen großen Artikel über das Schützenfest schreiben, weil es ja hier noch so richtig ursprünglich und traditionell zugeht. So was kennen unsere Berliner Leser gar nicht.«
    »O ja, das stimmt. Ist schon sehr traditionell. Und so ganz nebenbei sehr wichtig für unsereins. Ohne den Schützenverein könnten wir die Kneipe hier dichtmachen. Wir schenken in den drei Tagen Fest so viel Bier aus wie sonst in einem guten Monat. Wir stehen ja auch mit unserem Bierwagen den ganzen Tag beim Vogelschießen dabei. Da ist nix mit Spaß und selbst trinken, wir müssen da ganz wirtschaftlich denken.«
    Viktoria nickte verständnisvoll.
    »Gut, dass die alle noch leben …«, flüsterte Rosa verschwörerisch und blickte nach oben. »Gott sei Dank!«
    Viktoria beschloss, sich dumm zu stellen. »Was meinen Sie? Wieso sollten die alle denn nicht mehr leben?«
    Rosa kam mit ihrem rosa Gesicht ganz nah an Viktoria heran. »Wir hatten hier doch beinahe ein Blutbad. Wussten Sie das nicht? Die Elisabeth ist durchgedreht, wie in Bagdad wäre es hier beinahe zugegangen.«
    »Ach was?« Viktoria fuhr mit ihrer Taktik extrem gut.
    Und Rosa war glücklich, der arroganten Städterin endlich einmal eine spannende Geschichte erzählen zu können. Also erzählte sie. Von dem Abend, als Elisabeth wankend, aber dennoch sehr zielstrebig die Kneipentür aufstieß. »Zwei richtige Gewehre hatte sie über ihren Schultern und noch so ein Gedöns vor den Bauch gebunden, unheimlich sah das aus.« Die Bedienung hinter dem Tresen und auch sie selbst wären viel zu baff gewesen, um einschreiten zu können. Und so marschierte Elisabeth in den Versammlungssaal der Schützenbrüder. Dann sei alles blitzschnell gegangen. Keiner hätte geschrien oder um Hilfe gerufen, es wäre einfach nur mucksmäuschenstill gewesen. Dann habe sie ein dumpfes »Plong« gehört, und das war die Elisabeth. »Wie ein Sack Kartoffeln ist sie umgekippt. Total blau war sie.«
    Viktoria hakte nach: Warum sei sie denn so wütend gewesen, die Elisabeth? Rosa antwortete eifrig und im Flüsterton

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