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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Toten. Richtig zerfetzt sah der aus.«
    Ein zerfetzter Toter. Abbrechen, nach Berlin zurück? Viktorias Gedanken hüpften ungeordnet durch ihren Schädel. Was hatte er gesagt, einen hübschen Toten?
    »Einen hübschen Toten haben wir hier auch, Chef. Und der ist besser, wetten …« Jetzt hatte sie es gesagt.
    »Hä? Wie meinen Sie das?«
    Sie erzählte ihm in groben Zügen von ihrem Verdacht: »Ein Schützenkönig ist unter mysteriösen Umständen verschwunden. Seine Frau sagt, er sei ausgewandert, andere sagen, er sei durchgebrannt, noch andere – nämlich sie selbst – glauben, er hat sich erhängt. Doch das sollte vielleicht verheimlicht werden, weil man so was als Katholik ja nicht macht.«
    »Sie meinen so eine Geschichte im Sinne von ›ein Dorf schweigt und vertuscht einen Todesfall‹?«
    »Jawoll!« Er hatte es geschluckt, das wusste sie. Doch sie legte noch nach. »Glauben Sie mir, Chef, wenn es nach mir ginge, wäre ich erleichtert, wenn ich mich mit diesen Dorfdeppen nicht mehr rumärgern müsste. Also holen Sie mich ruhig heim.«
    Er tat es natürlich nicht. Sie durfte sich noch ein bisschen mit den Dorfdeppen rumschlagen – und fand es eigentlich gar nicht so schlimm.
    Triumphierend blickte sie sich um. Mario hatte sich inzwischen an einem der Tische niedergelassen, an dem seine Würfelfreunde vom Nachmittag fröhlich auf ihn einredeten. Kai war verschwunden. Verdammt. Wie laut hatte sie eigentlich gesprochen?
    Ihr war der Durst aufs Bier vergangen.
    Klaus Bühlbecker war in seinem Element. Aufrecht stand er an einem Biertisch und schaute sich mit erhobenem Kinn um. Das Schützenfest war sein Schützenfest, denn er war schließlich der Vorsitzende. Ohne ihn, so war er sich ganz und gar sicher, würde hier gar nichts laufen. Keine Musik, kein Bier und kein Mensch. Alles war, wie es sein musste. Das Wetter war grandios, seine Uniformknöpfe strahlten und die olle Upphoff würde nicht Königin werden können. Wäre ja auch noch schöner gewesen. Irgendwo musste man doch noch unter sich sein. Die Weiber sollen einfach mal das machen, was sie am besten können. Kuchen backen. Ein paar junge Männer von der Ehrengarde marschierten auf ihn zu, salutierten, lachten und verschwanden. Bühlbecker nickte ihnen würdevoll zu. Dann fiel sein Blick auf Viktoria. Er hatte natürlich mitbekommen, dass eine Reporterin über das Fest schreiben wollte. Und er war ja nicht blöd. Natürlich war sie wegen der Upphoff-Geschichte hier und schnüffelte rum. Aber in diesem Moment war ihm das herzlich egal. Er leckte sich den Bierschaum von der Oberlippe und starrte sie an. Die schwarzen Haare fielen ihr ins Gesicht. Lang waren sie, glänzend, rassig, so wie er es mochte. Schneewittchenhaare. Klaus Bühlbecker nahm noch einen Schluck. Das Einzige, was er in diesem Moment denken konnte, war: Geile Schlampe!
    Viktoria hockte sich an einen Biertisch und ordnete ihre Gedanken. Was genau war jetzt eigentlich ihr Auftrag? Welche Geschichte erwartete der Express von ihr? Der Tote vom Baum war alles andere als eine sichere Story – wer weiß, was sie dort überhaupt noch herausfinden würde. Dass sie nichts Neues über die Ratte entdeckt hatte, hatte der Chef offensichtlich geschluckt. Aber vielleicht reichte ja auch die Ursprungsgeschichte über die Amok laufende Hausfrau, um eine Doppelseite der Sonntagsausgabe zu füllen. Marios Fotos waren super, das wusste sie. Und ihr Interview mit Elisabeth Upphoff gab auch einiges her. Sie wühlte in ihrer Tasche nach den Notizen. »Weiße Tischdeckchen«, hatte sie notiert. Und: »Ich wollte, dass sie alle in ihrem Blut verrecken.« Super Zitat, dachte sie. Doch was war das? Viktoria setzte sich kerzengerade hin, die Notizen hielt sie in ihrer Hand. Hektisch wählte sie die Nummer des Express und hoffte, dass sie eine einigermaßen stabile Verbindung bekam. Schon meldete sich die Chefsekretärin und stellte sie durch.
    »Was ist, Latell?«, blaffte der Chefredakteur. »Habe eigentlich keine Zeit!«
    »DER BIBER!«
    »Der Biber?«
    »Chef, ich habe den Biber gefunden.«
    »Sind Sie sicher?« Der gelangweilte Ton war aus seiner Stimme verschwunden. »Sieht er so aus wie unsere Ratte?«
    »Er sieht nicht so aus. Er ist es. Ich halte einen Briefbogen mit dem Wasserzeichen in der Hand. Und ich schwöre, es ist derselbe hässliche Nager, der neben unserem süßen Schneewittchen lag.«
    Nico war zum ersten Mal an Sarahs Grab. Weil sie Geburtstag hatte. Weil er ein Geschenk hatte. Er trug es

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