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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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es?«
    »Es ist meins.«
    »Wie? Meins?«
    »Ich habe es mal als Werbegeschenk drucken lassen. Viel zu teuer war das, und dann sah es auch noch blöd aus.«
    Viktoria sah ihn an, wartete ab.
    »Na ja, der Biber ist halt unser Wappentier, deshalb habe ich mich auch dafür entschieden – so als Westbeverner Unternehmer. Aber der Grafiker hat das hässliche Viech nur eins zu eins übernommen, abgezeichnet von der Schützenvereinsfahne. Und das Ergebnis haben Sie ja gesehen. Der Biber ist hässlich wie ’ne gottverdammte Ratte.«
    »Gibt es viele von den Briefblöcken?«
    »Ja, leider. Ich habe damals gleich fünftausend drucken lassen. Tausend habe ich erst verschenkt – und die meisten davon einfach so, weil ich es mir ja nicht mit den Großkunden verderben will.«
    »Haben Sie auch schon mal einen Block in Berlin verschenkt?«
    »Ganz schön neugierig, Frau Latell.« Er grinste wieder.
    »Haben Sie?«
    »Lassen Sie mich nachdenken. Ja, ich glaube schon. Ich habe die hässliche Ratte nach Berlin exportiert. Viel schlimmer als euer Bär sieht die ja auch nicht aus.« Er lachte laut.
    »Wissen Sie noch, an wen?«
    »Mein Gott – das scheint Sie ja wirklich zu interessieren. Warum eigentlich?«
    Viktoria schüttelte vielsagend den Kopf. »Kann ich leider nicht sagen.«
    »Na, dann kann ich mich leider auch nicht erinnern.« Klaus Bühlbecker lächelte jetzt nicht mehr. Er drehte sich um und ging. Und Viktoria hatte einfach keine Lust, ihm zu folgen.
    Tausend Blöcke hatte er verteilt – davon auch welche in Berlin. Na, dann konnte jeder den Zettel mit den morbiden Zeilen beschrieben haben. Jeder.
    Die Bibergeschichte war damit totrecherchiert.

10. Kapitel
     
    Viktoria tastete nach ihrem Handy, das mal wieder Netzsuche anzeigte. Doch das leuchtende Display verriet ihr die Uhrzeit. 0.34 Uhr. Sie lag im Bett, gähnte und war extrem schlecht gelaunt. Die Beine kribbelten, ihre Füße waren abwechselnd zu kalt oder zu heiß; und schloss sie die Augen, starrten sie bleiche Gesichter an. Bernhard Lütkehaus’ totes Antlitz, Martha Lütkehaus, den Mund zum stummen Schrei aufgerissen. Ab und zu erschien sogar ihre Mutter mit weißem Gesicht und roten Lippen auf Viktorias Netzhaut-Fata-Morgana. Als sie doch einmal kurz einnickte, träumte sie von Konstantin. Er hatte sich eine Atemmaske aufgesetzt und wollte sie damit küssen; sie lief weg, er hielt sie fest, und seine Hände fühlten sich seltsam an. Er trug Gummihandschuhe und lag in seiner eigenen Blutlache. Was sollte das alles? Viktoria konnte eine durchwachte Nacht ganz und gar nicht gebrauchen. Sie musste früh raus am großen Tag. Das Königsschießen stand bevor und begann um halb acht mit einer Messe und dem Antreten der Schützen. Sie wollte endlich ganz konzentriert arbeiten. Sich um ihren ursprünglichen Auftrag kümmern und keine Hirngespinste jagen. Sogar drei Kugelschreiber hatte sie in ihre Tasche gesteckt. Wo war das Problem? Es war ein leichter Job. Einer, bei dem es hauptsächlich um Beobachtung und die anschließende Schilderung ging. Easy going . Sie versuchte hundert Mal »easy« zu sagen, doch es klappte nicht, beim zehnten Mal dachte sie plötzlich an Kai Westmark. Auch das noch! War ja auch ein schönes Bild, das er ihr eingebrannt hatte. Er am Strand des Flusses, den Blick nach irgendwo zum anderen Ufer gerichtet und dann plötzlich auf sie. Durchdringend? Neugierig? Liebevoll? Sie wusste es nicht oder wollte es nicht wissen. Zapfanlageninstallateur ist nicht gerade der Beruf, den man sich für seinen Traummann wünscht. Okay, die Jeans war cool, aber wahrscheinlich reichte sein Horizont gerade mal bis zum anderen Ufer des Flusses. Hätte sie ihn in Berlin im Zosch an der Theke getroffen, sie hätte gewusst, was sie mit ihm hätte machen wollen. Und sie hätte es geschafft. Mit ihrem Victory-Augenaufschlag. Sie hätte ihn dazu gebracht, mit ihr nach Hause zu gehen. Und er hätte gewusst, dass es kein Frühstück bei ihr gab. Doch hier waren die Spielregeln irgendwie anders. Nicht durchschaubar, nicht rauszufinden, einfach ungooglebar.
    Vielleicht war das auch der Grund, weshalb sie die Geschichte mit Bernhard Lütkehaus nicht begriff. Kapierte sie nur nicht die Geheimsprache der Westbeverner? Gab es ein ungeschriebenes Gesetz, nach dem hübsche Ehemänner verschwanden, ohne dass jemand nachfragte? War es ein böser Fluch, der sie dazu verdammt hatte, Bernhard Lütkehaus tot an einem Baum hängen zu sehen? Würde nur der Gegenzauber einer guten

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