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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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jetzt seit sieben Monaten mit sich herum, und obwohl es nur ein paar Gramm schwer war, wog es wie eine Tonne Stahl, die sich um sein Herz geschlungen hatte. Es war ein kleiner Silberanhänger für Sarahs Armband. Er hatte ihn ihr schon in der Silvesternacht geben wollen, aber die Ratte war ihm dazwischengekommen. Diese miese hinterhältige Ratte. Sie hatte ihm Sarah genommen, sie hatte Sarah das Leben genommen und jetzt saß sie in seinem Kopf und nagte an seinen Gehirnzellen.
    Die Buchstaben auf Sarahs Grabstein waren verschwommen. Dabei weinte er nicht. Es war die Ratte. Er hörte sie flüstern. »Zu sterben ist leichter, als damit zu leben.« Er nahm sein Portemonnaie aus seiner Hosentasche und fummelte den kleinen Anhänger aus dem Netzfach, in dem auch sein Personalausweis klemmte. Er hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, er war gerade mal einen guten Zentimeter groß. Mit der anderen Hand drückte er eine kleine Mulde in die Erde direkt neben den Findling, auf dem Sarahs Name stand. Er legte den Schmuck hinein. »Es tut mir leid, kleiner schwarzer Engel.« Nico hatte es geflüstert. Er kannte jedes Wort, das die Ratte auf den Brief an seine tote Sarah geschrieben hatte, auswendig. Er warf etwas Erde auf den silbernen kleinen Engel, der bestimmt schön an Sarahs Handgelenk ausgesehen hätte. Dann ging er. Sein Kopf tat ihm weh.
    Viktoria massierte ihren Kopf mit den Fingerspitzen. Vielleicht würde sie so ein wenig Ordnung in die Sache bringen. Vor ihr lag der Zettel mit dem Biberwasserzeichen. Genauso ein Zettel hatte damals neben Sarahs Leiche gelegen. Alle waren sich sicher, dass die Worte darauf eine Art Botschaft ihres Mörders gewesen seien. Und jetzt hatte ausgerechnet Elisabeth Upphoff auf solch einem Blatt Kniffel gespielt. Viktoria drehte das Papier, hielt es sich dicht vor die Nase, doch sie wurde nicht schlau daraus. Elisabeth hatte ihre große Straße nicht gewürfelt, dafür aber einen Kniffel, fünfzig Punkte gab’s dafür. Ein E stand über ihrer Reihe. Daneben ein N. N hat verloren. Hieß ihre Tochter nicht Nicole? Und ihr Sohn? War der vielleicht schon einmal in Berlin gewesen? Am Müggelsee? Viktoria schüttelte gedankenverloren den Kopf. Sie musste Elisabeth nach dem Zettel fragen, doch nur, wenn sie ihr dabei in die Augen schauen konnte und auf ihre Hände. Denn die verrieten am ehesten, ob jemand die Wahrheit sagte oder nicht. Viktoria faltete das Blatt und steckte es in ihre Tasche. Dann holte sie es noch einmal heraus und schaute sich das E an. Nein, keine Schnörkel.
    Er näherte sich von hinten. Als er sie fast berührte, atmete er tief durch die Nase ein, roch an ihren Haaren. Erst da drehte sich Viktoria um und bewegte sich reflexartig ein Stück zur Seite.
    »Ist was?« Ihr fiel nichts Besseres ein, um den etwas aufdringlichen Schützenbruder in seine Schranken zu weisen.
    Er schaute sie ohne jede Scham an und fragte nur: »Aha, die Presse ist also auch da?«
    Viktoria nickte kühl.
    »Wollen Sie mich denn gar nicht interviewen, Frau …?« Er sah sie herausfordernd an.
    »Latell«, sagte sie genervt. »Wieso sollte ich?«
    »Weil ich hier der Chef bin.« Klaus Bühlbecker streckte die Brust nach vorn.
    Viktoria hatte keine Lust auf einen Chef. Doch sie zwang sich, höflich zu bleiben. »Wieso Chef?«
    »Ich bin der Vorsitzende von den schießwütigen Jungs hier«, sagte er und klopfte ein paar vorbeischlendernden jungen Männern auf die Schulter.
    »Interessant«, sagte Viktoria in einem Tonfall, der jedem Idioten klargemacht hätte, dass sie das gar nicht interessant fand.
    »Wenn Sie also etwas von mir wollen, lassen Sie es mich wissen.« Bühlbecker lächelte doppeldeutig und berührte kurz ihre Taille. »Brücken bauen mit Bühlbecker.«
    Viktoria schaute genervt. »Aha.« Konnte diese Pfeife sie nicht endlich in Ruhe lassen? Doch er schaute auf das Blatt, das vor ihr lag.
    »Hübsches Briefpapier.«
    Viktoria widerstand dem Reflex, es hektisch vom Tisch zu reißen.
    »Der Biber sieht aus wie eine Ratte, finden Sie nicht?«
    »Weiß nicht.« Viktoria versuchte, gleichgültig zu klingen.
    »Aber ich«, sagte Klaus Bühlbecker und ging. Vorher atmete er noch einmal tief durch die Nase ein und genoss den Duft ihrer Haare.
    Viktoria zögerte drei Sekunden. Dann drehte sie sich um und folgte ihm. »Herr Bühlbecker!« Sie hasste es, dass sie ihn ansprechen musste.
    Er blieb stehen, grinste. »Ja?« Es gefiel ihm, dass sie ihm nachgelaufen war.
    »Das Briefpapier – kennen Sie

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