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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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besorgt. Jetzt hockten sie auf der Bank, von der aus sie den fußkranken Schwan gut beobachten konnten. Er glitt gerade an einem der Schiffswracks vorbei, die hier schon seit Jahren vor Anker lagen. Wie Skelette zeichnete sich ihre Silhouette vor dem Nachthimmel ab.
    »Du bist also nicht krank?« Michael versuchte es tapfer weiter.
    Marie schwieg, zog ihr Handy aus der Tasche und tippte auf die Kurzwahltaste. Dann hielt sie ihm das Telefon ans Ohr. »Hörst du, man kommt nicht durch.«
    »Und das macht dich so fertig?«
    »Ja. Es macht mich fertig. Denn ich weiß nicht, was sie gerade tut.«
    »Wer?«
    »Meine Tochter.«
    Michael lachte auf. »Hey, komm runter. Das wissen doch wohl die meisten Mütter nicht, ich meine, was ihre Kleinen so treiben.«
    Marie nahm einen großen Schluck vom viel zu warmen Wein.
    »Da hast du wohl recht.« Sie legte ihren Kopf auf Michaels Schultern. Der Schwan verschwand hinter dem Bug des Schiffes. »Aber meine Kleine treibt sich mit Leichen herum.«
    Viktoria wollte nur noch weg. Weg von diesen Dornen, weg von dem Bahndamm, weg von dem Baum und weg von dem Schatten. Sie versuchte, leise und gebückt davonzuschleichen, dabei riss ihr Trenchcoat mit einem lauten Ratsch. Der Schatten richtete sich blitzschnell auf und drehte sich in ihre Richtung. Viktoria unterdrückte einen Schrei. Sie rannte los, stolperte und fing sich, lief weiter. Im Haus wurde Licht angeschaltet, der Rottweiler bellte, doch Viktoria sah und hörte nichts mehr. Ihr Körper war mit all seinen Sinnen auf Flucht programmiert. Weg! Weg! Ich muss hier weg. Ihr Herz pumpte Sauerstoff durch ihre Adern, ihre Lunge brannte, sie sprang über den Graben zur Pferdekoppel, kletterte über den Zaun und nahm die Abkürzung quer über die Wiese. Vielleicht hätte sie doch besser den asphaltierten Feldweg nehmen sollen, denn das Gras stand kniehoch und bremste jeden ihrer Schritte. Viktoria hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten, die Abkürzung entpuppte sich als Zeitlupenweg. Und dann hörte sie plötzlich ein seltsames Geräusch. Etwas war hinter ihr, nicht weit. Sie hörte ein Hecheln. O Gott, der Hund! Viktoria versuchte, über die Grashalme zu fliegen, doch sie wurde nicht schneller. Das Hecheln kam näher. Sie drehte sich um. Der Rottweiler konnte nicht weit sein, es raschelte dicht hinter ihr. Doch sie sah nichts. Auch nicht den Maulwurfshügel direkt vor ihr, über den sie stolperte. Sie fiel geradeaus hin und erwartete, in der nächsten Sekunde von hinten in den Nacken gebissen zu werden. Doch es passierte nichts. Aus der Ferne hörte sie ein Auto vorbeifahren. Dann einen lauten Pfiff und eine strenge Frauenstimme: »Acko, bei Fuß!« Das Rascheln entfernte sich. Viktoria stand langsam auf. Sie stolperte an den Wiesenrand. Noch ein paar Hundert Meter auf dem Feldweg, dann sah sie endlich das kleine, leuchtende Schild. Gasthaus König. Sie wurde langsamer, drehte sich um. Nichts. Kein Hund, kein Schatten, sie war allein.
    Auf dem Parkplatz des Gasthofs öffnete sich die Tür des dunkelblauen Golfs, der in der Nähe der Hecke geparkt hatte. »Kai?!« Gegen ihren Willen und ihren Verstand freute sie sich, ihn zu sehen. Wie ein Marathonläufer im Ziel, ließ sie ihre Schultern hängen und stützte ihre Hände auf die Knie. Dann setzte ihre logische Denkfähigkeit wieder ein. »Was machst du hier?« Sie schaute ihn ernst an.
    Kai sagte nichts, er trat auf sie zu und wuschelte ihr über die Haare, in denen noch ein paar Grashalme hingen.
    Sie zuckte zurück. »Lass das! Und sag mir lieber, was du hier machst!«
    Kai seufzte. »Also gut. Auch wenn du mich für bescheuert hältst. Ich hatte mir etwas ausgeliehen und es gerade zurückgebracht.«
    »Zurückgehängt, meinst du wohl eher.«
    »Okay. Ja. Du hast recht. Ertappt. Du hast um diesen Schützenkönig so einen Wind gemacht, dass ich neugierig war. Also wollte ich mir das Bild anschauen. Ich dachte, ich könnte dir vielleicht bei deinen Recherchen helfen …«
    Ihr Atem wurde gleichmäßiger, sie grinste ihn schräg von unten an. »Mitten in der Nacht?«
    Kai grinste ebenfalls. »Ich war wirklich sehr neugierig. Und schlaflos dazu.«
    Viktoria glaubte ihm. Sie spürte noch ihre weichen Knie. »Ich hatte gerade echt Angst«, sagte sie und schaute hinter sich.
    »Das hat man gemerkt.« Er strich ihr mit seinem Handrücken über die Wange. »Als wäre der Teufel hinter dir her gewesen.«
    Sie nickte. »Ich weiß nicht, wer hinter mir her war, aber es war kein

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