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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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zweifelte langsam an sich selbst. Die letzte Nacht steckte ihr in den Knochen und im Kopf. Erst der Schreck wegen des verschwundenen Bildes. Dann der unheimliche Schatten in Marta Lütkehaus’ Garten und der Hund von Baskerville. Und schließlich der Kuss und der schnelle Abgang von Kai. Sie wollte jetzt nicht mit Mario plaudern. Sie wollte endlich wieder klar denken. Und so wurde es ein ruhiges, schnelles und eisiges Frühstück. Als sie gerade fertig waren, Viktoria ihre Tasche über die Schulter warf und aufstand, kam Rosa aus der Küche. Sie war erschreckend aufgedreht und noch rosafarbener als sonst.
    »Guten Morgen, die Herrschaften!«, tönte sie. »Mein Gott, war das eine Nacht.«
    Finde ich auch, dachte Viktoria. Aber jetzt bitte keine Schnarchgeschichten! Viktoria schaute nicht auf. Doch Rosa plauderte auch so weiter.
    »Ich habe kaum ein Auge zugetan. Erst kamen dauernd singende Schützenbrüder unter unserem Schlafzimmerfenster vorbei. Harry hat natürlich wieder nix gehört, er schnarchte einfach vor sich hin. Und dann dieser seltsame Einbrecher.«
    »Einbrecher? Was für ein Einbrecher?« Nun schaute Viktoria doch auf.
    »Wahrscheinlich war es nur ein Schützenbruder, der noch durstig war!«
    »Und?«
    Konnte sie nicht endlich auf den Punkt kommen?
    »Das Fenster von der Männertoilette stand offen. Sperrangelweit. Richtig kühl wehte der Wind rein. Weil es so zog, knallte eine Tür. Ich bin davon aufgewacht und habe erst mal alles dicht gemacht. Wahrscheinlich ist er da rein, also durch das Fenster.«
    »Hat er was geklaut?« Viktoria tat interessiert, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Nein, das ist ja das Komische. Es waren noch zweihundert Euro in der Kasse, die hätte er mitnehmen können. Dafür fehlte etwas ganz Wertloses. Ein Foto von unserer Schützenkönig-Galerie.«
    »Das Bild von Bernhard Lütkehaus …«, murmelte Viktoria leise vor sich hin.
    Drei Augenpaare starrten sie an.
    »Ja. Genau. Woher wussten Sie das? Das Rätselhafteste kommt aber noch – heute Morgen hing es wieder an derselben Stelle.« Rosa war verwirrt, Marios Augenbrauen zuckten, Harry hörte auf, Gläser zu spülen.
    »Es hing vorhin schief, deshalb ist es mir aufgefallen«, sagte Viktoria und versuchte, fröhlich zu klingen. Sie hatte es sogar doch noch mit ihrem Handy fotografiert und vergeblich versucht, es an ihren pickeligen LKA-Informanten zu simsen. Doch ohne Empfang …
    »Ich hasse schiefe Bilder«, sagte sie leichthin.
    Rosa lachte. »Ha, wie in diesem Loriot-Sketch. Wo der Mann das schiefe Bild gerade hängen will und am Ende das ganze Zimmer verwüstet ist.«
    »Ja, genau so.« Harry sah Viktoria ernst an. Er glaubte ihr nicht.
    Plötzlich schrie Rosa auf. »O nein!«
    Viktoria hielt sich ihren brummenden Schädel. Was war denn jetzt schon wieder?
    »Schauen Sie sich diese Sauerei an«, Rosa deutete auf den Fußboden zwischen Tür und Tresen. »Jetzt kann ich alles noch einmal wischen!« Viktoria hob ihren müden Kopf. Hier war gestern jemand mit dreckigen Schuhen entlanggegangen. Kleine Klumpen schwarzer Erde bildeten eine verräterische Spur. Tja, meine Joggingschuhe haben nun mal Profilsohlen, dachte sie und lächelte bei der Erinnerung an den wunderbaren Kuss. Als Rosa hinter die Theke trat und fluchte: »Verdammt, sogar hierher hat der Typ den Mutterboden geschlört«, verging es ihr jedoch. Das Lachen. Wieso hatte Kai dieselbe Erde an den Schuhen gehabt wie sie?

12. Kapitel
     
    »Kameraaaaaaden! Stillgestanden!« Das Antreten war so, wie Viktoria es sich vorgestellt hatte. Eine Mischung aus militärischen Befehlen, Marschmusik und fröhlichem Durcheinander. Erstaunlich war, wie unterschiedlich die schwarz-grüne Truppe war, die mit geschulterten Holzgewehren – einige davon waren Attrappen – durch die Straßen von Westbevern lief. Dicke, Dünne, Alte, Mittelalte, Junge, Große und Kleine. Zwar versuchten alle so etwas wie eine Kompanie darzustellen, doch an Soldaten erinnerten diese Herren kaum. In einer der ersten Reihen marschierte Ferdinand Upphoff, der, ohne eine Miene zu verziehen, zackig geradeaus ging und nicht nach rechts oder links schaute. Er trug wie all die anderen eine dunkelgrüne Uniformjacke, an deren Brust ein goldenes Wappen leuchtete, seine Hose saß gut. Seine Haare auch. Stur schaute er auf den Kameraden vor ihm. Hätte er seinen Blick nur für ein paar Sekunden auf den Straßenrand gerichtet, dann hätte er seine Frau gesehen. Elisabeth sah hübsch aus, die Haare samt neuer

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