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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Komplimenten. Mit zweifelhaften Komplimenten.
    »Mensch, Püppi, bist immer noch so ein heißes Ding wie damals.«
    Marie trank einfach weiter. Es machte ihr kein Vergnügen. Es war wie ein Zwang. Klaus sprach über früher und ließ immer mal wieder seine Hand auf ihrem Knie liegen. Doch sie konnte sich nicht rühren.
    »Na, Püppi, immer noch so offen wie damals?«
    O Gott, Marie fiel ein, dass Klaus öfter versucht hatte, sie zu küssen. Sie konnte kaum seinen Worten folgen. Es ging – so ahnte sie es – um seine Firma, sein Brückenbauunternehmen und um seinen Erfolg. Irgendwann reichte er ihr eine Visitenkarte und einen Block mit seltsamem Briefpapier.
    »Hier, das ist das Westbeverner Wappentier.« Er hatte auf das Wasserzeichen gezeigt.
    »Eine Ratte?« Marie musste bitter lachen.
    Klaus nicht. »Du weißt doch, dass es ein Biber ist.«
    Sie stand auf, wollte zur Toilette.
    Klaus schaute ihr nach und lobte ihren Hintern. »Wow, wie ’n junges Ding siehste aus.« Klaus mochte junge Dinger. Er mochte das Bier. Und er hätte es gemocht, wenn ihm Püppi die Wartezeit auf den Zug noch ein bisschen mehr versüßt hätte als durch ihre bloße Anwesenheit. Als sie von der Toilette zurückkam, wurde er deutlicher. »Püppi, wir beide hier in Berlin. Das ist doch kein Zufall. Und ein hübsches Hotel haben wir auch schon.« Er grinste.
    Marie war schon viel zu betrunken, um zu protestieren. Doch als Klaus aufstand und sie anfasste, wurde sie hellwach.
    »Fass mich nicht an«, sagte sie, und die Gäste am Nachbartisch schauten herüber.
    Klaus ließ sie nicht sofort los. Er kam mit seinem Mund ganz nah an ihr Ohr und flüsterte: »Ich wusste schon immer, dass du eine Schlampe bist. Alle in Westbevern wussten es. Aber jetzt kann ich ihnen was Neues erzählen. Du bist eine alte Schlampe.« Dann ließ er sie los und ging.
    Marie schaffte es nicht, die Spucketröpfchen, die er auf ihren Wangen hinterlassen hatte, wegzuwischen. Sie war plötzlich müde. Sie wollte auch gehen. Für immer. Mit zitternden Händen griff sie nach dem weißen Kugelschreiber, der an dem Block klemmte, den Klaus ihr geschenkt hatte, und begann zu schreiben. Mein lieber schwarzer Engel …
    Dann rief sie ihre Tochter an, ließ sich von ihr nach Hause bringen und steckte den Abschiedsbrief in Viktorias Jackentasche. Es war ihr nur recht, dass sie schnell ging. Als sie alleine war, drückte sie alle Schlaf- und Schmerztabletten, die sie in ihrer Wohnung finden konnte, aus den Verpackungen, würgte sie mit jeder Menge Wasser herunter und schlief ein.
    Doch statt in der Hölle erwachte sie in einer weißen Pfütze aufgelöster, ausgebrochener Tabletten. Sie fühlte sich schwach, elend, übel – aber sie lebte. Prosit Neujahr! Was für ein Start in die nächsten dreihundertfünfundsechzig Tage voller Schuldgefühle, Frust und falscher Männer.
    Viktoria hatte sie nie auf den Brief angesprochen. Vielleicht hatte sie ihn nicht ernst genommen. Vielleicht war es ihr ja sogar peinlich, eine Mutter zu haben, die es nicht schaffte, sich einfach mal gepflegt das Leben zu nehmen. Andererseits konnte sie den Zettel mit diesem hässlichen Biberwasserzeichen ja auch einfach verloren haben. Sie kramte ja immer in ihren völlig überfüllten Taschen herum, da fiel dauernd etwas heraus. Der Neujahrstag war sehr windig gewesen, erinnerte sich Marie. Vielleicht ist der Abschiedsbrief einfach von einer Böe ins Jenseits befördert worden.
    »Kennst du Vom Winde verweht ?«, fragte Marie Michael, der immer noch abwartete.
    »Klar. Wieso?«
    »Nur so«, sagte Marie und nahm noch einen Schluck Kaffee.

13. Kapitel
     
    Viktoria saß noch ein paar Minuten im Barchetta, bevor sie den Zündschlüssel drehte. Bernhard Lütkehaus und ihre Mutter waren sich also vielleicht schon einmal begegnet. Er hatte sie oder eine Frau, die ihr extrem ähnlich sah, und zwei andere Frauen fotografiert. Was für ein unglaublicher Zufall. Es gibt Tausende Dörfer mit Tausenden von Schützenvereinen. Warum landete sie ausgerechnet in dem Ort, an dem ihre Mutter einmal gewesen war. Zufall?
    Zufall. Warum auch nicht. Wie oft traf man an den entlegensten Urlaubsorten Bekannte oder Kollegen. »So ein Zufall«, rief man sich dann zu und tauschte Höflichkeitsfloskeln aus. »Aha, ihr wohnt also in der Casa de Sol, oh, wie schön. Ah ja, vielleicht sieht man sich ja, am Strand oder so. Bis dann.« Bloß nicht richtig verabreden, furchtbar. Und natürlich las sie – wenn man sich dann wirklich am

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