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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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müsste Ferdinand sie, sie wäre ja nicht da. Weggehungert, weggestorben, es Ruhe sanft die in Luft aufgelöste Elisabeth Upphoff. Als ihr Magen knurrte, weil sie Hunger hatte, verwarf sie die Idee. Sie schmierte sich eine Leberwurststulle, biss hinein und suchte weiter. Irgendwo musste Ferdinand den Schlüssel für seinen Waffenschrank ja haben. Sie hätte ihm zugetraut, dass er ihn wieder in das spitze Maul des Fuchses legen würde, doch die Geldstrafe und die Gardinenpredigt der Polizei hatten offensichtlich gewirkt. Sie fühlte die verstaubten Raubtierzähne, sonst nichts. Ferdinand musste den Schlüssel zu seinen Gewehren unerreichbar für eine andere Person aufbewahren, so verlangte es das Gesetz, und daran würde er sich jetzt halten. Das Leberwurstbrot lag zerkaut in ihrem Magen und fühlte sich an wie ein Wackerstein. Elisabeth musste an die sieben Geißlein denken, die dem bösen Wolf schwere Steine in den Bauch stopften, damit er nicht merkte, dass die Zicklein, die er verschlungen hatte, allesamt gerettet waren. Mich rettet keiner mehr, dachte Elisabeth und schaute in der Wohnzimmeruhr nach. In einer Standuhr wie dieser hatte sich das kleinste Geißlein aus dem Märchen versteckt, doch ihre Uhr war leer. Keine Ziege, kein Schlüssel. Elisabeth schaute auf die Digitalanzeige an ihrem DVD-Player, verglich die Zeiten und rückte den großen Zeiger zwei Minuten vor, der Leberwurstgeschmack hatte sich in ihrem Mund breitgemacht. Sie musste aufstoßen. Als sie die Uhrentür zuklappte, wusste sie, wo sie suchen musste.
    »Ich glaube, wir gehen besser«, sagte Kai und blickte Viktoria ratlos an.
    Viktoria schüttelte den Kopf, sie blinzelte, bückte sich, schob den Frauenmantel auseinander. Dann sah sie etwas funkeln. Sie kniete sich hin – ein flacher, fast weißer Stein lag dort zwischen all dem Grün mit einem noch kleinen Kupferkreuz darauf, und auf dem Kreuz glitzerten ein paar rote, grüne und blaue Perlen. »Ein Grabstein?«
    Kai kam näher. Er schaute zum Haus. »Na, dann los!«
    Viktoria nahm das Kreuz und den Stein, legte beides zur Seite und krempelte ihre Ärmel hoch, Kai tat dasselbe. Und dann gruben sie mit ihren bloßen Händen. Sie sprachen nicht, sie sahen sich nicht an, sie schwitzten. Weil es anstrengend war und weil sie Angst hatten vor dem, was sie finden würden. Kai schaute sich um und stand auf. Neben dem Zwinger war ein kleiner Unterstand, vielleicht könnte er dort Werkzeug finden. Leise schlich er in die Nähe des schlafenden Rottweilers. Der zuckte kurz, öffnete die Augen und schlief weiter. Im Haus von Martha Lütkehaus rührte sich immer noch nichts. Kai nahm den Spaten und ging zurück zu Viktoria, die noch immer am Boden kniete. Trotz des Spatens kamen sie nur mühsam voran. Die Frauenmantelpflanzen hatten sie vorsichtig beiseitegelegt, damit sie sie nachher wieder an ihre ursprüngliche Stelle pflanzen konnten. Darunter war schwarzer, weicher Mutterboden. Sie gruben weiter und weiter. Die ausgehobene Erde wuchs zu einem kleinen Hügel heran, Spatenstich um Spatenstich, Zentimeter um Zentimeter. Und plötzlich hatte der Haufen eine Spitze.
    Viktorias Stimme überschlug sich: »Was ist das?«
    Kai schaute auf. Er stieß den Spaten in die Erde, schritt zum Erdhügel und bückte sich. Er nahm das Ding, das wie ein Ast oben aus den schwarzen Klumpen ragte, in seine Hände. »Das ist ein Knochen!« Kai sagte es ganz ohne Emotion.
    Viktoria konnte kaum sprechen, so rau war ihre Stimme. »Ein kleines Stück von einem Knochen, oder?«
    »Nein«, sagte Kai. »Ist alles dran. Sieht aus wie der Oberarmknochen eines Babys.«

16. Kapitel
     
    Sie hatte sofort die Polizei rufen wollen, doch Kai hatte sie gebremst. »Es kann gut sein, dass hier kein Verbrechen geschehen ist«, hatte er gesagt. »Viel eher denke ich, dass es einfach eine traurige Geschichte ist.« Sie hatten noch viele kleine Knochen gefunden. Rippen, Finger, Zehen und einen Schädel. Es war ein ganzes Skelett. Kopf und Oberschenkelknochen nahmen sie mit, den Rest ließen sie liegen. Warfen vorsichtig die Erde darauf und legten die Frauenmantelpflanzen wieder darüber. Wie eine Decke, dachte Viktoria.
    Der Barchetta und Kais Golf standen hintereinander vor dem Bäumken in Telgte. Der grausige Fund lag in Kais Kofferraum. Viktoria stieg aus und lehnte sich an Marios gelben Flitzer. Kai saß noch im Wagen und telefonierte. Dann stellte er sich neben sie.
    »Hast du deinen Kollegen erreicht?«
    Kai nickte. Sein alter

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