Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
leben, ist für mich manchmal zu wenig intensiv.
Dabei kann ich noch nicht einmal sicher sagen, ob ich ihn
nun wirklich vermisse oder ob mir nur langweilig ist.
Mein Geliebter arbeitet sehr viel. Er ist ständig unterwegs.
Wenn wir uns sehen, dann an den Wochenenden oder in den Schulferien. An den
Wochenenden haben wir sehr viele gesellschaftliche Verpflichtungen, die wir
gemeinsam besuchen und die Ferien verbringen wir zusammen mit unseren Kindern.
Da bleibt manchmal sehr wenig Zeit für uns beide und seit
über einem halben Jahr hatten wir keinen einzigen Tag für uns. Ich vermisse
ihn, erlaube mir dieses Gefühl aber nicht, denn ich will keinen Druck machen
und bekomme dafür schlechte Laune.
Darüber zu reden bringt nichts, denn es würde nichts ändern.
Er macht einen großartigen Job, trägt sehr viel Verantwortung und darin möchte
ich ihn in keinem Fall behindern.
Da sehe ich lieber zu, wie ich mein Problem allein gelöst
bekomme.
Fast alle meine Freundinnen verstehen mich nicht, also kann
ich mit ihnen auch nicht darüber reden. Sie sehen nur den Glitzer, wenn es
glitzert und meine aufregenden Termine an den Wochenenden, aber sie sehen nicht
das Nichts in der Zwischenzeit.
Also mache ich diese Dinge mit mir selber aus, was mir nicht
wirklich gut gelingt.
Meine schlaue Freundin Ina sagt dazu nur: „Was würde die
Liebe tun?“ Meine Antwort war: „Sie würde weiter lieben bis sie stirbt.“
Irgendwann einmal habe ich mir den Film „Sex and the City“ angeschaut und die
vögelfreudige Samantha, die sich in einer Beziehung und in ihrem schönen
Luxus-Strandhaus in Los Angeles zu Tode langweilt, verlässt ihren jugendlichen
Lover, weil sie sich selbst mehr liebt als ihn.
Ich ziehe diese Szene als Beispiel heran und frage Ina noch
einmal: „Na Ina, welche Liebe meinst du denn jetzt? Den
Selbsterhaltungsinstinkt, der geht? Oder die demütige, angepasste Frau die sich
alles gefallen lässt und dabei zu Grunde geht?“
„Was würde die Liebe tun?“ Mensch Ina, du hast Nerven!
Ich wandere weiter durch herrliche Landschaften und genieße
den Sonnenschein.
„Ich brauche eine Arbeit die mich mit Freude erfüllt.“ Das
ist die Lösung! Eine Arbeit, bei der ich selbst bestimmen kann, wann und wie
viel ich arbeite. Für die Zeit zwischen Kindern und Zweisamkeit mit meinem
Geliebten. Dann wäre ich vielleicht nicht so unausgewogen und durch
Erfolgserlebnisse deutlich zufriedener.
Am allerliebsten wäre mir ein Job, für Regenwetter, von zu
Hause aus, völlig flexibel und frei.
Dann habe ich jederzeit Zeit für meinen Geliebten, Zeit für
meine Kinder und Zeit für mich.
„Freie Zeit für mich“ ist ein Vorhaben, welches ich fest in
meine Jahresplanung einbauen möchte.
Damit meine ich nicht die vereinzelten, freien Stunden
tagsüber, die sich kurzfristig ergeben und mit denen ich nichts anzufangen
weiß, sondern zwei Wochen weg von allem. Raus in die Natur, sich bewegen und
den Tagesablauf selbst bestimmen.
Für meine Haltung, die jedem alles „recht“ machen will, gut
funktioniert und dabei wenig fühlt, kann außer mir selbst, keiner etwas. Das
ist die Erziehung des Hauses, aus dem ich komme und ein gesellschaftliches
Phänomen der Zeit, in der ich aufwuchs. Bevor die Welle der Emanzipation durch
die Köpfe der Frauen rollte, gab es noch Zucht und Ordnung. Damals hatte der
Herr des Hauses das Sagen und die Frau gehorchte. Weltweit. Solche Prägungen
restlos abzulegen, funktioniert zuweilen nicht immer so einfach, wie ich das
theoretisch gerne hätte. Wann sollte ich bitte jemals gelernt haben, mich zu
wehren? Das einzige was ich gut kann, ist zu funktionieren, bis ich nicht mehr
kann um dann davonzulaufen. Aber das ist keine Lösung?
Einlassen oder loslassen?
Hoffentlich vergesse ich das nicht wieder.
Heute, an diesem geschenkten Tag, gehe ich nur 16 km bis
Cacabelos und finde ein Bett in einer Herberge am Ende des Ortes. Dieses
Refugio wurde an einer Kirchenmauer entlang gebaut. Also eigentlich an die
Innenseite der Mauer um die Kirche herum. Dort wo früher vermutlich der
Friedhof war, haben sie alles zugepflastert und das ist heute der Innenhof. Mit
Tischen und Bänken um zu rasten und Wäscheständern, um die Wäsche zu trocknen.
Wenn man im Bett liegt und durch die Zimmertüre der 6 qm
Zimmer schaut, blickt man direkt auf den Innenhof. Hat ein wenig den Charme
einer Arena.
Ich bin froh, dass meine Bettnachbarin eine Frau ist. Wir
sitzen auf der Stufe vor unserem Zimmer, genießen
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