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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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wieder vielleicht mal eine kleine Unterstützung und keine
ungeduldige Zicke, die schlechtgelaunt am Tresen steht und ungeduldig mit einem
5-Euro-Schein wedelt.
    Sind wir nicht alle Pilger? Sollten wir nicht gerade hier,
auf diesem Weg, die Nächstenliebe praktizieren?
    Ich schäme mich sehr und gelobe Besserung.
    In Fuentas Nuevas, dem nächsten Dorf, mache ich eine Rast
und esse Spiegeleier mit Speck. Eine Alleinpilgerin in meinem Alter, die ich in
Ponferrada überholt hatte, kommt in die Bar. Ich setze meine guten Vorsätze
gleich um, tausche mein arrogantes Gesicht gegen ein freundliches und sie setzt
sich zu mir an den Tisch.
    Kathrin komme aus Osnabrück und sei den ganzen Weg von
Saint-Jean-Pied-de-Port gelaufen. Sie könne den Camino leider nicht genießen
und fände das Alleinegehen einfach nur grässlich. Die letzten zwei Wochen wären
ganz besonders scheußlich gewesen, da es nur geregnet hätte und kalt gewesen
wäre.
    Ihre vorletzte Nacht wäre ausgeprochen schrecklich gewesen,
als sie in Foncebadon vom Schnee überrascht worden sei und kein Zimmer mehr
bekam. Notgedrungen habe sie in ihren klammen Sachen bei Tomas übernachten
müssen. In ihrem leichten Sommerschlafsack, bei 4 Grad plus auf dem Betonboden
von Tomas’ „sehr spezieller“ Herberge.
    „Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gefroren zu haben,“
sagt sie „ich hatte alle Klamotten an und trotzdem war es eiskalt.“
    „Gab es denn wenigstens etwas zu Essen?“, frage ich sie. Sie
war einen Tag vor mir bei Tomas. Das war die Nacht, als das Schneetreiben
begann.
    „Nein. Kein Essen, keine Heizung und kein Bad. Man konnte
sich mit einer Gießkanne draußen duschen. Im Sommer ist das vielleicht ganz
originell, aber bei Schnee und Kälte sind das doch keine Zustände.“
    „Oh je, da hast du aber echt ein ganz schönes Pech“, sage
ich mitleidig und erzähle ihr lieber nicht von meinem Glück, das ich hatte.
Womöglich wird sie dann noch miesepetriger.
    „Das geht den ganzen Weg schon so. Und ich finde niemanden,
dem ich mich anschließen könnte. Zu zweit käme mir dieser Weg bestimmt nicht so
grauenhaft vor. Dieses ständige Alleinegehen ist einfach entsetzlich.“
    „Ich finde das Alleinegehen ganz wunderbar und will mich niemandem
anschließen. Keine Rücksicht zu nehmen und keine Kompromisse schließen zu
müssen, ist für mich Erholung pur und ich würde diesen Weg gerne noch einmal
und dann die ganzen 800 km gehen. Auf alle Fälle und nur alleine“, erkläre ich
ihr freundlich, aber bestimmt und damit ist dieses Thema vom Tisch. Nein, ich
bleibe eine Alleinpilgerin.
    „Warum brichst du nicht einfach ab und fährst nach Hause?“,
frage ich sie
    „Ich hoffe darauf, dass etwas Gutes passiert oder ich einen
netten Weggefährten finde und mir der Weg dann besser gefällt“, sagt sie,
„außerdem würde ich mir ewig Vorwürfe machen, wenn ich abbrechen würde. Wer
weiß, was ich verpassen würde…“
    Hier pflichte ich ihr bei. Das Gefühl, etwas verpasst zu
haben, finde auch ich nicht so prickelnd. Aber wenn sie ihre Einstellung zum
Weg ändern könnte und einmal das Schöne sehen könnte, würde ihr es bestimmt
auch besser gefallen.
    Sie trägt schon einen sehr destruktiven Zug im Gesicht
spazieren. Ich habe keine Lust sie aufzubauen. Nicht in meinem Urlaub. Das muss
sie schon selber lernen.
    Und es ist mir gerade völlig egal, ob das jetzt arrogant
klingt oder nicht. Das hier ist mein Camino und den gestalte ich mir
genau so, wie ich es will! Und ich will nun mal genau diese Freiheit genießen.
Mit allen Überraschungen, die mir begegnen wollen.
    „Hast du eigentlich schon abgenommen?“, frage ich sie.
    „Gewogen habe ich mich noch nicht, aber meine Hosen sitzen
alle sehr viel lockerer als am Anfang und meinen Gürtel musste ich schon zwei
Löcher enger schnallen“, antwortet sie und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Na bitte, hier ist doch schon etwas Positives zu vermelden. Geht doch!
    Und in mir nährt sich die Hoffnung, selbst etwas an Gewicht
zu verlieren. Wenigstens 2 Kilo. Das wäre wunderbar.
    Ich verabschiede mich und gehe weiter.
    Für den heutigen Tag habe ich mir meine Unzufriedenheit
vorgenommen. Man kann auf diesem Weg ja so herrlich und ungestört seinen
Gedanken nachhängen, da findet sich bestimmt für jedes Problem eine Lösung.
    Meine Beziehung spielt dabei eine große Rolle, denn sie ist
ungewöhnlich. Den Mann liebe ich, daran gibt es keine Zweifel, aber die Form
der Beziehung, so wie wir sie

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