Schuld währt ewig
halfen, stand auf dem Garagenvorplatz. Ginas alter Golf parkte auf der anderen Straßenseite vor dem Zugang zu einem Spielplatz.
Er klingelte. Sie ließ ihn ein. Seit dem Vormittag hatte er sie nicht gesehen. Nun freute er sich, als er in ihre Schokoladenaugen blickte, in denen sich allerdings Ungeduld und Verärgerung spiegelten.
»Wie kommt ihr voran?«
»Bis jetzt haben wir nichts. Aber mit Speicher und Keller haben wir grad erst angefangen. Meo hat Kamera und PC mitgenommen. Er guckt mal, ob Dateien der Postkarten darauf sind oder waren. Bis wir Rodewald festnageln können, wird es also noch etwas dauern. Und, was sagt er?«
»Nicht viel. Er denkt wohl darüber nach, ein Geständnis abzulegen. Jedenfalls hat er sich Bedenkzeit erbeten. Jetzt sitzt er in der Haftzelle und berät sich mit einem Anwalt. Langsam kommen wir zu einem Ende, und darüber bin ich froh.« Er fühlte Erleichterung bei dem Gedanken, diese langwierige Ermittlung endlich abzuschließen, und er freute sich auf eine Auszeit, auf zwei Wochen Ruhe, auf Tage ohne Tote, ohne Lügen und Ausflüchte, auf Tage ohne Gewalt. Auf Stille, auf Wind in seinen Haaren, den Geruch der Nordsee, auf Stunden mit Gina.
Schritte erklangen auf der Treppe. Ein Kollege kam die Stufen heruntergepoltert. In der Hand hielt er einen kleinen Metallkoffer. »Der lag auf dem Dachboden. Und im Fensterrahmen ist ein Einschussloch.«
Er reichte Gina die Box. Im Schaumstoff befand sich eine Aussparung für eine Pistole. Doch die Waffe fehlte. »Ich schätze mal, da lag die Beretta drin.«
Sie folgten dem Kollegen ins Dachgeschoss, in einen kleinen Raum mit holzverkleideten Dachschrägen. Das trübe Licht einer Deckenlampe beleuchtete einen Stapel Kartons und einige Regale mit ausrangierten Sachen. Der Kollege deutete auf den Rahmen des Dachflächenfensters. »Hier.«
Unterhalb des Griffes befand sich ein Einschussloch. Das Holz war abgesplittert. Gina zog eine Taschenlampe aus einer der zahlreichen Taschen ihrer Cargohose hervor und leuchtete in die Vertiefung. »Treffer. Das Projektil steckt drin. Jetzt wird es eng für Rodewald.«
Eine 9-Millimeter-Beretta hatte eine enorme Durchschlagskraft. Da blieb das Geschoss nicht einfach in einem Fensterrahmen stecken. Es sei denn, es hatte vorher etwas anderes durchschlagen. Dühnfort sah sich um und fand, was er suchte. Eintritts- und Austrittsloch des Projektils an einem der Kartons. Er öffnete ihn. Prallgefüllte Aktenordner. Der Schusskanal ging hindurch. »Warum hat Rodewald auf die Unterlagen geschossen?«
»Vielleicht ein Testschuss?«, meinte Gina.
»Ich beantrage jetzt den Haftbefehl.«
Gina begleitete ihn zum Auto. »Alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so … irgendwie anders als sonst. Angespannt.«
Sie waren allein. Er nahm sie in den Arm, sog den vertrauten Ginaduft ein und fühlte sich getröstet. Etwas veränderte sich, verschob sich, verdrängte Altes, schaffte Raum für Neues. Er wusste nicht, was das war, was es werden würde. »Ich bin froh, wenn wir diese Ermittlung beendet haben. Vier Tote. Sinnlos gestorben, um einer Rache willen, die für mich nicht nachvollziehbar ist.« Er fuhr ihr durchs Haar. »Ich fahre jetzt. Wir sehen uns nachher. Oder gehst du heim?« Heim. Wie das klang. Heim. Das sollte bei ihm sein. Oder bei ihr. Jedenfalls mit ihr.
»Ich komme zu dir und bringe was vom Inder mit. Erst ein scharfes Essen und dann vielleicht eine scharfe Nummer?«
Sie setzte diesen frechen Blick auf, den er so sehr an ihr mochte. Dennoch sah er im Dunkel ihrer Augen diesen besorgten Funken glimmen. Sie gab sich immer flapsig, doch das war sie nicht. Gina war eine Frau mit sehr feinen Antennen, mit viel Gespür dafür, was in anderen vorging. Hinter dieser forschen Art verbarg sie ihre Empfindsamkeit.
Er zog sie kurz an sich und machte sich auf den Weg.
Vom Auto aus rief er Buchholz an und bat ihn, das Projektil zu sichern. Im Präsidium prüfte er, ob eine Waffe auf Rodewald angemeldet war. Er hatte nicht einmal einen Schein dafür. Der Mann besaß eine illegale Waffe. Beziehungsweise hatte eine besessen. Denn sie war weg.
Dühnfort suchte Leyenfels auf. Der zeigte sich über den Durchbruch erfreut. »Um den Haftbefehl kümmere ich mich morgen, wenn klar ist, dass das Projektil aus der Waffe stammt, mit der Voigt erschossen wurde. Du hast Rodewald ja schon festgenommen. Das eilt also nicht.«
Dühnfort wandte sich zum Gehen. Doch Leyenfels stoppte ihn. »Der Personenschutz für Hilmer ist damit
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