Schuld währt ewig
ohne Titel.
Dühnfort reckte sich und trank den letzten Schluck Cappuccino. Etwas stimmte nicht an diesem Gedankengebäude. Wenn Rodewald am Scheidungstag tatsächlich nicht gewusst haben sollte, dass Oberhausner drei Tage zuvor verstorben war, hätte er logischerweise mit seinem Honda von Garmisch nach Zorneding rasen müssen, um mit dem Verursacher seiner geplatzten Träume abzurechnen. Und noch etwas störte Dühnfort. Rodewald schien nicht von Unrast und Hass getrieben zu sein. Er wirkte eher verstört.
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Buchholz meldete sich. »Hab mir fast gedacht, dass du auch schon da bist. Das Projektil hat dir wohl keine Ruhe gelassen.«
»Der ganze Fall lässt mir keine Ruhe.«
»Na, dann habe ich eine gute Nachricht für dich. Das Geschoss stammt zweifelsfrei aus der Waffe, mit der Voigt erschossen wurde.«
Endlich Fakten. »Gut. Dann bringen wir das heute zum Abschluss.«
»Das kostet dich was. Mindestens ein Weißwurstessen.«
»Abgemacht.«
Kurz nach acht ließ er Rodewald in den Vernehmungsraum bringen, eröffnete ihm, dass er den Status eines Beschuldigten erlangt hatte, und klärte ihn über seine Rechte auf. Rodewald bestand darauf, seine Aussage nicht ohne Anwalt zu machen. Doch dieser war bei Gericht und stand erst mittags zur Verfügung. Merde!
Gina rief an. »Sag nur, du bist ausgeschlafen.«
»Sagen wir so: Ich bin angenehm unausgeschlafen.«
»Danke für die CD .« Ihre Stimme wurde weich. »Was du dazugeschrieben hast, das ist sehr schön.«
»Habe ich mir von Vienna Teng geborgt. Gefühle in Worte zu fassen … Also, zu meinen Stärken gehört das sicher nicht.«
»Trotzdem schön. Ich überleg grad, ob ich ein eleganter Dreimaster bin oder doch eher ein Schaufelraddampfer.«
Dühnfort musste lachen.
»Wir machen jetzt mit Rodewalds Haus weiter. Da muss mehr zu finden sein als nur dieses Einschussloch.«
»Das Projektil stammt übrigens aus der Waffe, mit der Voigt erschossen wurde.«
»Prima. Dann läuft das endlich in die richtige Richtung. Bis später.« Sie verabschiedeten sich.
Alois sah kurz herein. Rodewalds Honda stand bei einem Händler in Warschau. Die Kollegen dort würden ihn sofort beschlagnahmen, sobald ihnen das Ersuchen schriftlich vorlag. Auf Polnisch. Darum wollte er sich nun kümmern.
Dühnfort rief Uli Rodewald an. Zu Hause war sie nicht, und auch auf dem Handy erreichte er sie nicht. Er hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox mit der Bitte um Rückruf.
Wieder ging ihm der Gedanke durch den Kopf, dass Rodewald, wenn er von Oberhausners Tod nichts gewusst hatte, logischerweise erst nach Zorneding hätte fahren müssen. Wer weiß, vielleicht hatte er das ja getan. Dühnfort suchte die Telefonnummer von Oberhausner heraus. Inzwischen war es kurz vor neun. Nicht zu früh für einen Anruf.
75
Sanne stand in der Küche und überlegte, ob sie nun für eine Person decken sollte oder für zwei. Oder gar für vier? Sie war es einfach nicht gewohnt, Leibwächter zu haben.
Vor dem Haus parkte ein grauer Lieferwagen mit verspiegelten Scheiben. Darin hatten zwei Polizisten die Nacht verbracht. Wie im Fernsehkrimi. Der dritte, Martin Hartung, hatte auf ihrem Sofa geschlafen. Er putzte sich gerade die Zähne. Im Bad lief das Wasser. Bis er fertig war, räumte Sanne das Bettzeug vom Sofa und öffnete die Terrassentür, um zu lüften. Keine Sekunde später stand Hartung neben ihr. »Besser nicht.« Mit einem Ruck schloss er die Tür und zog die Gardine wieder vor. »Sie wollen doch keine Zielscheibe abgeben. Oder?« Im Mundwinkel haftete ein Zahnpastarest. Ein großer, blonder Kerl mit breiten Schultern. Das Holster mit der Waffe spannte über dem Hemd. Irgendwie war die ganze Situation beängstigend und lächerlich zugleich. Die Vorstellung, dass jemand plante, sie zu töten, blieb ein abstraktes Modell. Und doch schloss Hartung die Tür, als könnte jeden Augenblick ein Schuss die morgendliche Ruhe stören und sie getroffen zu Boden stürzen. Einfach lächerlich. »Wenn überhaupt, dann werde ich irgendwo heruntergestoßen«, erwiderte sie und versuchte ein Lächeln. »Kaffee oder Tee zum Frühstück?«
»Sie müssen sich keine Umstände machen.«
»Im Dorf gibt es keine Wirtschaft. Sie müssten nach Heimstetten fahren, um zu frühstücken.«
»Ja dann nehme ich das Angebot an«, sagte er lächelnd. »Ein Kaffee wäre nicht schlecht.«
»Und für Ihre Kollegen?«
»Die trinken auch Kaffee. Das ist nett von Ihnen.«
»Kann ich
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