Schuld währt ewig
leitete die Hausdurchsuchung. Alois versuchte den Honda aufzutreiben. Dühnfort saß mit Rodewald im Vernehmungsraum.
Er entschloss sich, mit dem Fall Flade zu beginnen, und ließ sich das Alibi dafür geben.
»Das war der Tag meiner Scheidung. Ich habe sie mit Jana, meiner Freundin, gefeiert. In Garmisch. Im Wellnesshotel Hubertus.«
Dühnfort schrieb eine Mail an Moritz Russo. Er sollte das prüfen. Rodewald saß in sich gekehrt auf dem Stuhl und studierte die Maserung der Tischplatte, als müsste er sie demnächst aus dem Gedächtnis zeichnen können.
Dühnfort schob seinen Stuhl ein Stück zurück. Das Quietschen ließ Rodewald aufblicken.
»Weshalb haben Sie gelogen, als ich nach dem SUV gefragt habe?«
»Ich habe nicht gelogen. Sie haben gefragt, ob ich einen SUV fahre, und das tue ich nicht. Jedenfalls seit drei Wochen nicht mehr. Seit ich meinen neuen Wagen habe.«
»Und Jens Flade? Sie kennen ihn wirklich nicht? Er wurde mit Ihrem SUV überfahren. Wir werden das nachweisen.«
»Da bin ich mal gespannt, wie Sie das hinbekommen wollen. Denn mit meinem Auto wurde niemand überfahren. Jedenfalls nicht, solange es mir gehört hat.«
Es klopfte. Alois trat ein und reichte Dühnfort den Kaufvertrag, den Gina gerade geschickt hatte. Ein Autohändler aus Düsseldorf hatte den Honda zwei Tage nach dem Mord an Flade angekauft. Laut Übergabeprotokoll hatte das Fahrzeug bis auf ein paar kleinere Lackschäden keine Mängel aufgewiesen. Von einem zerbrochenen Scheinwerferglas war nicht die Rede. Alois beugte sich zu Dühnfort und flüsterte. »Ich habe mit dem Abholer telefoniert. Das Auto war gut in Schuss und alle Scheinwerfer intakt.«
»Dann telefoniere alle Honda-Werkstätten durch, ob im fraglichen Zeitraum ein Scheinwerfer repariert oder ein Scheinwerferglas verkauft wurde, und an wen.«
Als Alois gegangen war, überlegte Dühnfort, wie er das Gespräch weiterführen sollte. Denn noch war es ein Gespräch. Den Status eines Beschuldigten würde Rodewald erlangen, sobald Beweise vorlagen, aber das war nur noch eine Frage der Zeit.
Er kehrte noch einmal zum Unfall vor zwölf Jahren zurück. Doch es gelang ihm nicht, Rodewald wesentlich andere Äußerungen zu entlocken als am Nachmittag. Er warf Oberhausner nichts vor. Nicht mehr. Früher schon. Das war alles so lange her. Gut, er hatte das Abitur wegen des Unfalls nicht geschafft und damit sein Physikstudium vergessen können, wie jedes andere Studium auch. Okay, er hatte seine Träume aufgeben müssen, weil ein alter Knacker am Steuer gepennt hatte. Aber er hatte seinen Frieden mit diesem Thema gemacht. Er war Zahntechniker geworden. Ein Beruf, den er mochte und der ihm ein gutes Einkommen sicherte. Und überhaupt verstand er nicht, was der Unfall mit dem Mord an Jens Flade zu tun haben sollte. Einem Mann, den er nicht einmal kannte.
»Flade war in einen tödlichen Unfall verwickelt. Ein kleines Mädchen kam dabei ums Leben. Er konnte nichts dafür. Er war unschuldig, also gab es auch keinen Prozess und keine Strafe.«
»Und jetzt wurde er überfahren? … Mit meinem Auto?« Wieder starrte Rodewald auf die Tischplatte. Dühnfort, der Schweigen gut ertragen konnte, beobachtete den Mann, bis ein kleiner Ruck durch ihn ging. Die Augen weiteten sich. Nur eine Hundertstelsekunde, dann wurde das Gesicht unverbindlich glatt. Was war das gewesen?, fragte Dühnfort sich. »Herr Rodewald. Wenn Sie etwas loswerden wollen, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt dafür. Ein Geständnis wirkt sich strafmildernd aus.«
Der Mann richtete sich auf. »Muss ich mit Ihnen reden, oder kann ich den Mund halten? Ich muss nachdenken.«
»Sie müssen sich nicht selbst belasten. Ich nehme Sie jetzt vorläufig fest. Sie stehen im Verdacht, Jens Flade und Eugen Voigt getötet zu haben.«
Um ihn mit den Morden an Martina und Margarethe Hasler in Verbindung zu bringen, hatten sie nichts in der Hand. Doch Dühnfort war zuversichtlich, dass sich das rasch ändern würde. Er belehrte Rodewald über seine Rechte, ließ ihn mit einem Anwalt telefonieren und dann in die Haftzelle bringen.
Zwanzig Minuten später fuhr er durch eine Reihenhaussiedlung in der Nähe der U-Bahn-Endhaltestelle Neuperlach-Süd. Es war bereits dunkel. In den Häusern brannten Lichter, hinter Küchenfenstern standen Frauen und bereiteten das Abendessen zu. Dühnfort erreichte sein Ziel. Er hielt am Straßenrand und stieg aus. Der Bus, mit dem die Kollegen der Schutzpolizei gekommen waren, die bei der Durchsuchung
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