Schuld währt ewig
obsolet, und auch der für Frau Möbus. Hast du die Leute schon abgezogen?«
»Solange ich nicht hundertprozentig sicher sein kann, dass Rodewald unser Mann ist, werde ich das nicht tun.«
»Du bist dir also nicht sicher.«
»Mein persönlicher Eindruck spielt keine Rolle. Warten wir ab, bis wir wissen, ob das Projektil aus der Tatwaffe stammt.«
»Gibt es einen weiteren Verdächtigen?«
Dühnfort zögerte. War Languth wirklich außen vor?
»Dann ist das Verschwendung von Steuergeldern. Du weißt, was der Spaß kostet. Also ziehe deine Leute ab.«
»Auf die eine Nacht kommt es nicht an. Herrgott! Ich werde kein Risiko eingehen. Warten wir bis morgen. Dann haben wir Gewissheit.«
Widerwillig stimmte Leyenfels zu. Dühnfort ärgerte sich noch über diesen unbedingten Willen, Kosten zu sparen, als er auf dem Heimweg war und Moritz Russo sich telefonisch meldete. »Ich bin auf der Rückfahrt aus Garmisch. Rodewald war an dem Tag, als Flade ermordet wurde, mit seiner Freundin im Wellnesshotel Hubertus. Sie hatte für den Nachmittag ein Beautypackage gebucht. Was bedeutet, dass sie stundenlang gepeelt, massiert und runderneuert worden ist. Soll heißen: Sie war allein. Und er auch. Drei Stunden reichen ja, um von Garmisch nach München und zurück zu düsen und zwischenzeitlich einen Menschen zu überfahren.«
74
Gegen vier wachte Dühnfort auf. Gina lag neben ihm. Er spürte die Wärme ihres Körpers, lauschte ihren gleichmäßigen Atemzügen, erinnerte sich an weiche Rundungen, samtige Haut, nahm den leichten Geruch nach Schweiß und Schlaf wahr und fühlte sich angekommen, daheim.
Als es ihm nicht gelang, wieder einzuschlafen, stand er kurz vor fünf auf, suchte seine Kleidung zusammen und schlich ins Bad. In der Wohnung hing noch der Geruch nach Chicken Tandoori, das Gina mitgebracht hatte. Er hinterließ die Nachricht für sie auf dem Küchentisch, dass er schon ins Büro gegangen sei, und erinnerte sich dann an die Vienna-Teng- CD , die noch in der Schublade im Flur versteckt war. Er holte sie, legte sie dazu und ergänzte seine Nachricht um zwei Zeilen eines Songtextes. The light in me will guide you home. All I want is to be your harbor.
Es war noch finster, als er vor das Haus trat. Sein Atem kondensierte in der kalten Luft. Auf dem Weg zum Präsidium machte er einen Umweg über den Viktualienmarkt, um fürs Frühstück einzukaufen.
Während die Stadt noch im Erwachen begriffen war, herrschte hier schon reges Leben. Lieferwagen wurden entladen und die Marktstände mit Viktualien gefüllt. Unzählige Sorten von Wurst und Käse, Brot und Gebäck, Obst und Gemüse, Fleisch, Meeresfrüchten und Wildbret, Blumen und Kräutern und vielerlei mehr wurden in Kisten und Körben auf Stellagen und Regale gewuchtet. Dühnfort betrat die Schmalznudel und kaufte sich eine Auszogne zum Mitnehmen.
Die Luft in seinem Büro war trocken und überheizt. Er startete den PC , öffnete das Fenster und machte sich einen Cappuccino, während feuchte Kühle in das Zimmer drang.
In der Ablage lag nichts Neues. Auch die elektronische Ermittlungsakte wies keine neuen Einträge auf. Es wurde langsam kalt. Dühnfort schloss das Fenster und hörte die Turmuhr der Frauenkirche Viertel vor sechs schlagen. Während er frühstückte, dachte er an Rodewald. Zu welchem Ergebnis seine Überlegungen wohl geführt hatten?
Das Telefonat mit Russo fiel ihm wieder ein und das Wellnesshotel in Garmisch. Dort hatte Rodewald seine Scheidung gefeiert.
Feierte man so etwas?
Die Scheidung. War sie der Auslöser für die Taten gewesen?
Wenn ja, dann hatte Rodewald ganz sicher nicht gefeiert, dann musste ihm diese Scheidung zuwider sein, dann hatte er sicher versucht, sie mit allen Mitteln zu verhindern.
Er musste mit Rodewalds Frau sprechen. Doch das ging nicht um sechs Uhr morgens. Bis sieben würde er warten. Dühnfort suchte die Adresse von Ulrike Rodewald aus den Unterlagen heraus, öffnete dann das Mailprogramm und sah nach neuen Nachrichten. Es gab keine.
Die Scheidung ging ihm nicht aus dem Kopf. War Rodewalds Freundin Jana der Anlass für die Trennung? Hatte seine Frau ihn deswegen hinausgeworfen?
Der Unfall vor zwölf Jahren. Wenn Rodewald ihr Mann war, hatte er sich für zerstobene Lebensträume gerächt. Das Physikstudium, der Wunsch, wissenschaftlich zu arbeiten, das damit verbundene Renommee, der Status einer Professur, die er angestrebt hatte. Aus all dem war nichts geworden. Er war nur ein kleiner Angestellter. Ein Zahntechniker
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