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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Punkte und drei Monate Führerscheinentzug. Ist dir das klar?« Seine Stimme klang verärgert. Doch sie hörte einen Unterton heraus. Sorge.
    »Aber nur, wenn man den Fahrer identifizieren kann. Ich habe sicherheitshalber ein Basecap aufgesetzt …«
    »Sicherheitshalber?«
    »Du kannst doch sagen, dass jeder deiner Mitarbeiter den Wagen nehmen kann und du nicht weißt, wer ihn an diesem Tag gefahren hat. Oder?«
    »Es war Nacht, Sanne. Nachts um drei. Was machst du um diese Zeit auf der Nürnberger Autobahn?«
    »Heimfahren. Irgendjemand aus der Firma könnte doch den Wagen genommen haben. Theoretisch.« Wie sollte sie drei Monate ohne Auto auskommen?
    »Ach, Sanne. Einmal kann ich das versuchen. Vielleicht komme ich damit durch. Allerdings werde ich dann ein Fahrtenbuch für den Wagen führen müssen. Noch mal geht das also nicht. Warum machst du das? Warum rast du so? Willst du dich umbringen?«
    »Mensch, Paps. Das ist ein Porsche Carrera, den kann man gar nicht langsam fahren. Und die sechshundert Euro bezahle ich natürlich.«
    »Na, das möchte ich auch hoffen. Aber darum geht es nicht. Pass auf dich auf, ja? Übertreibe es nicht. Ich mache mir Sorgen, und deine Mutter übrigens auch. Wie geht es dir sonst? Hast du genügend Aufträge?«
    Sie beruhigte ihn auch in diesem Punkt und lenkte das Gespräch langsam weniger heiklen Themen zu.
    Als sie sich schon verabschiedet hatten, stellte er noch eine Frage. »Sanne, Mädchen. Bist du eigentlich glücklich?«
    »Natürlich. Auf meine Weise eben. Grüß Mama.« Sie legte auf und sah aus dem Fenster in den Garten.
    Ob sie glücklich war? Was war denn das für eine Frage? Natürlich war sie das. Glück musste ja nichts Lautes, Buntes, Lärmendes sein. Kein dickes Bankkonto, kein Haus, kein Auto, kein Pferd.
    Kein Vorzeigemann, keine wohlgeratene Kinderschar. Auch wenn sich bei diesem Gedanken etwas in ihr zusammenzog und einen dumpfen Schmerz hinterließ.
    Du willst einfach nicht glücklich sein.
    Das hatte Thorsten am letzten Sonntagmorgen gesagt, als sie neben ihm aufgewacht war und in total verliebte Augen geblickt hatte. Diese Nacht war ein Fehler gewesen. Ein ganz dummer Fehler.
    Sie kehrte in die Küche zurück, stellte die Lasagne in den Kühlschrank und bemerkte bei einem Blick aus dem Fenster Hamlet, der den Weg entlanglief und zwei Enten aufscheuchte.
    Was war schon Glück?
    Es konnte ein grauer Kater sein, der hin und wieder zu Besuch kam, ein weit reichender Blick über Wiesen und Felder, und ein Duft nach Holz und Harz, vermischt mit einem Anflug mongolischer Steppe.

8
    Dühnfort parkte vor einem Neubau mit hohen Glasfronten, der eine Baulücke im Stadtteil Schwabing schloss. Moderne meets Jugendstil. Der Kontrast gefiel ihm. Den Namen Flade fand er am Klingelbord der fünften Etage. Wieder einmal überlegte er, mehr für seine Fitness zu tun und die Treppe zu nehmen. Dennoch stieg er in den Lift. Bequemlichkeit, aber auch die unangenehme Vorstellung, atemlos und verschwitzt vor Flades Witwe zu treten, waren ausschlaggebend für diese Entscheidung.
    Die Frau, die ihm öffnete, trug einen grauen Hosenanzug mit weißer Bluse und einer schmalen Silberkette. Sie war deutlich jenseits der sechzig und stellte sich als Gabriele Traut vor. »Ich bin Jens’ Schwiegermutter.« Ihre Augen waren gerötet. In der Hand hielt sie ein zerknülltes Papiertaschentuch. Sie führte ihn durch einen hellen Flur ins Wohnzimmer. »Bettina, der Mann von der Polizei ist da. Ich habe Kaffee vorbereitet. Oder mögen Sie lieber Tee?« Diese Frage galt ihm.
    »Eine Tasse Kaffee wäre wunderbar.«
    Gabriele Traut verschwand Richtung Küche. Dühnfort durchquerte den Raum. Die Südwand bestand aus einer einzigen Glasfront, die das Zimmer an diesem diesigen Tag in weiches Licht hüllte. Moderne Möbel in Weiß und Grau, heller Parkettboden, exklusive Musikanlage, Flachbildfernseher. Arm war Flade nicht gewesen.
    Bettina Flade erhob sich von der Ledercouch. Sie war eine kleine Frau mit lebhaften Augen und einer blonden Kurzhaarfrisur. Vom Weinen hatte sie rote Flecken im Gesicht. Und sie war schwanger. Kugelrund wölbte sich der Bauch unter einem schwarzen Rippenstrickpulli. Siebter oder achter Monat. Er musste behutsam vorgehen.
    »Dühnfort.« Er reichte ihr die Hand. »Wie geht es Ihnen? Fühlen Sie sich einem Gespräch gewachsen?«
    »Wie es mir geht?« Sie starrte ihn an. »Ich kann es einfach nicht glauben.« Als ob eine unsichtbare Kraft an ihr zog, sank sie zurück aufs Sofa.

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