Schuld währt ewig
Schüler Manuel Dasch ist am 10. Juni 2009 beim Volleyballspiel mit einem Klassenkameraden unglücklich zusammengerumpelt und hat ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Am 15. Juni starb er infolge des Unfalls. Das Ermittlungsverfahren gegen Hergeth wurde Ende Juli eingestellt. Er hat seine Aufsichtspflicht nicht verletzt.«
Dühnfort dankte Russo, ließ sich die Kontaktdaten des Sportlehrers geben und beendete das Meeting.
Vom Büro aus rief er ihn an und erreichte Hergeth an der Schule in Frankfurt, an der er seit zwei Jahren unterrichtete. Ein Mann mit fester Stimme. Selbstbewusst. Robust. Dühnfort kam gleich zur Sache und erklärte ohne Umschweife, worum es ging.
Hergeth hatte keine Postkarte erhalten, und es gab auch keine anderen Merkwürdigkeiten, wie anonyme Anrufe oder Mails. Sollte er dergleichen bekommen, würde er sich melden. Dühnfort gab ihm seine Handynummer und verabschiedete sich.
Im Laufe der folgenden Stunden las er sich noch einmal durch alle Zeugenaussagen. Dabei fiel ihm auf, dass eine Zeugin Eugen Voigt am Fenster seines Schlafzimmers gesehen hatte. Kurz vor dem Unfall. Er aber behauptete, mit einer Wärmeflasche im Bett gelegen zu sein. Dass er nachgesehen hatte, was passiert war, nachdem es gekracht hatte, war logisch. Aber vorher? Hatte er auf dem Weg ins Bett den gewohnten Blick aus dem Fenster geworfen, oder hatte er Gina angelogen und doch eine Beobachtung gemacht? Dühnfort wollte das klären und wählte die Nummer von Eugen Voigt. Doch er meldete sich nicht.
Sein Magen knurrte. Schon halb drei. Höchste Zeit für ein Mittagessen. Dühnfort ging zu Marcellos Espressobar am Rindermarkt, aß ein Tramezzino mit Thunfisch, trank den gewohnten Espresso multikulti und kehrte an seinen Schreibtisch zurück, aus dem er die angebrochene Tafel Schokolade zog, von der nur noch eine Rippe übrig war. Der bittere Geschmack lag ihm noch auf der Zunge, als er Eugen Voigts Nummer erneut wählte. Doch wieder meldete sich niemand.
Dühnfort schlüpfte in den Mantel und fuhr zu Voigt. Der Mann war nicht zu Hause. Eine Nachbarin erklärte, dass Voigts Auto nicht auf dem gewohnten Platz stand und er es selten benutzte. Eigentlich nur, wenn er zu einer Verwandten an den Tegernsee fuhr. Also war er dort. Am See. Sonst wäre das Auto ja da, so ihre Schlussfolgerung. Eine Adresse hatte sie nicht. Nur den Nachnamen. Denn der war Voigt. Sie ließ sich noch eine Weile darüber aus, wie korrekt Voigt immer alles nahm. Den Putzdienst im Treppenhaus, den Räumdienst im Winter, die Regelungen über die Lautstärke von Fernsehapparaten und Radios, und dass er sich vermutlich vor Ärger ein Monogramm in den Hintern gebissen hatte, weil ihm der Mord an dem Architekten entgangen war.
An diesem Punkt vibrierte das Handy in Dühnforts Tasche. Gina meldete sich. Sie hatte eine weitere Überschneidung gefunden. »Bei beiden Unfällen war dasselbe Kriseninterventionsteam im Einsatz. Subvento. So nennen die sich. Gründer und Leiter ist ein Arzt im Ruhestand, Dr. Stefan Neumeier. Mit dem sollten wir mal reden.«
»Wo haben die ihren Sitz?«
»Sommerstraße.«
Da Dühnfort ohnehin in der Gegend war, übernahm er das. Bevor er losfuhr, bat er Gina, die Adressen aller Frauen ausfindig zu machen, die den Nachnamen Voigt trugen und am Tegernsee wohnten. Über die Einwohnermeldeämter der Gemeinden musste das relativ schnell zu erledigen sein.
»Voigt? Die Mutter von Knöllchen-Eugen?«, wollte Gina wissen.
»Eine Verwandte jedenfalls.«
»Okay. Und warum?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er den Unfall nicht doch gesehen hat.«
»Der hat seit Jahren davon geträumt, sich mal als Zeuge wichtigzumachen. Warum sollte er jetzt schweigen?« Sie beantwortete sich die Frage umgehend selbst. »Du glaubst, er hat den Fahrer erkannt und erpresst ihn?«
»Kurz vor dem Unfall lag er nicht im Bett. Er wurde am Fenster gesehen. Ich würde mich gerne mit ihm unterhalten.«
»Okay. Ich mache die Voigts rund um den Tegernsee ausfindig. Wenn du ihn befragst, wäre ich gern dabei.«
»Natürlich. Sag mal … ganz andere Frage. Magst du Woody Allen?«
»Nicht alles von ihm, aber einiges. Wieso?«
»Im Filmcasino läuft heute Abend Match Point . Hast du Lust hinzugehen?«
»Du willst dir einen Film angucken, in dem ein Mörder ungestraft davonkommt? Klar bin ich dabei. Wann?«
»Um acht.«
»Prima. Dann treffen wir uns vorm Kino. Oder kommst du vorher noch mal ins Büro?«
Es war bereits halb sieben. »Vermutlich nicht.«
Als
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