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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Dühnfort einige Minuten später in seinem Auto saß, fragte er sich, woher es kam, dass er nach außen so ganz anders wirkte, als er sich fühlte. Sogar Gina kannte ihn nicht. Er musste ihr die Möglichkeit dazu geben, sich mehr öffnen, mehr reden. Über sich und seine Gedanken und Gefühle. Doch das fiel ihm seit jeher schwer.
    Die Isar führte Hochwasser. An der Reichenbachbrücke überquerte er sie. Graubraune Fluten brausten gen Norden. Er bog in die Eduard-Schmid-Straße ein, die parallel zum Fluss verlief, und erreichte die Sommerstraße.
    In den Tiefen seines Gedächtnisses schlummerte noch ein Rest Lateinvokabeln. Subvento. Das bedeutete so viel wie zu Hilfe kommen . Die Geschäftsräume des Kriseninterventionsteams Subvento waren im Erdgeschoss eines schmucklosen Gebäudes aus den Siebzigerjahren untergebracht. Ein Vorplatz mit Empfangstheke. Weiter hinten stand eine zweiflüglige Tür zu einem Zimmer offen. Flipchart, Leinwand. Mehrere Stuhlreihen, die lose besetzt waren. Es sah so aus, als würde demnächst eine Schulung beginnen. Gesprächsfetzen drangen aus dem Raum.
    Von dort kam eine Frau auf ihn zu. Sie war groß und kräftig. Etwa Anfang dreißig. Praktische Kurzhaarfrisur. Musternder Blick. Ein Namensschild am Sweatshirt wies sie als Mitglied des Kriseninterventionsteams aus. Ulrike Rodewald. »Kann ich etwas für Sie tun?« Ihre Stimme klang so robust, wie die ganze Frau wirkte. Dühnfort traute ihr sofort zu, einen Einsatz zu leiten, Anweisungen zu geben und den Überblick zu behalten.
    Er stellte sich vor. »Ich ermittle in zwei Mordfällen. Beide Opfer waren vor Jahren in tödliche Unfälle verwickelt, und in beiden Fällen wurde dieses KIT gerufen. Ich wüsste gerne, welche Mitarbeiter damals im Einsatz waren.«
    Im Gesicht der Frau ging eine Veränderung vor sich. Der eben noch freundliche Ausdruck wurde ernst. Mit einer Hand wies Ulrike Rodewald auf ein Büro, dessen Tür offen stand. Ein Mann mit hellem Haar und gepflegtem Bart unterhielt sich dort mit einem Mitarbeiter, der Rettungsweste und weiße Jeans trug. »Stefan kann Ihnen am besten weiterhelfen.« Sie begleitete Dühnfort zum Büro.
    »Stefan, hier ist jemand von der Kripo für dich.«
    Dr. Neumeier unterbrach sein Gespräch und reichte Dühnfort die Hand. Sie war trocken wie Pergament. »Eine schreckliche Geschichte. Wir sprachen gerade darüber.«
    Seit Tagen arbeitete Dühnforts Team in mühseliger Fieselarbeit daran, Zusammenhänge im Leben der Opfer aufzuspüren, und hier hatte man längst einen entdeckt und es nicht für nötig befunden, die Polizei zu kontaktieren. Dühnforts Laune rutschte um ein paar Grad Richtung Gefrierpunkt. »Wann haben Sie diese Verbindung erkannt?«
    »Verbindung? Das ist doch nur ein Zufall.«
    »An Zufälle zu glauben, habe ich mir schon lange abgewöhnt.«
    Neumeier fuhr sich durch den Bart. »Falls Sie annehmen, in unseren Reihen sei ein Mörder zu finden, dann ist das ziemlich absurd. Wir sind Helfer.« Er verschränkte die Arme.
    Der Mann neben ihm ergriff das Wort. »Das glauben Sie doch nicht wirklich.«
    Das Namensschild an der Rettungsweste wies ihn als Thorsten Languth aus. Ein drahtiger Mann Anfang dreißig mit dichtem Haar und einem markanten Kinn.
    »Für mich zählen Fakten. Und Fakt ist, dass bei beiden Unfällen dieses KIT von der Einsatzzentrale angefordert wurde. Ihnen war das bewusst, und Sie haben es nicht für nötig befunden, uns zu informieren. Es hätte uns eine Menge Arbeit erspart.«
    Neumeier gab seine abwehrende Haltung auf und ließ die Arme sinken, offenbar in der Bemühung, sich kooperativ zu zeigen. »Uns war nicht klar, dass Sie einen Zusammenhang sehen, sonst hätte ich Sie natürlich angerufen. Im Übrigen werden den Kriseninterventionsteams die Einsatzgebiete von der Rettungsleitstelle zugeteilt. Wo wir unsere Arbeit tun, liegt also nicht in unserer Entscheidung.«
    »Ich würde gerne Personalunterlagen, Dienstpläne und Einsatzprotokolle einsehen, und zwar vom November 2006 und Mai 2008.«
    Bedauernd breitete Neumeier die Hände aus. »Tut mir leid. Das ist nicht möglich.«
    »Weshalb?«
    »Unser Archiv ist im Keller untergebracht. Beim Sommerhochwasser vor zwei Jahren wurde er überschwemmt. Alle Unterlagen seit der Gründung bis August 2009 wurden vernichtet.«
    Merde, fluchte Dühnfort lautlos. »Gut. Dann bitte ich Sie, Ihr Gedächtnis zu strapazieren. Können Sie eine Liste aller Mitarbeiter zusammenstellen? Auch der inzwischen

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