Schuld war nur die Badewanne
habe heute den ersten Rosenstrauß meines Lebens bekommen!«, jubelte sie ins Telefon. »Rate mal, von wem!«
»Mich interessiert mehr das Warum. Geburtstag hast du doch erst Allerheiligen.«
»Weiß ich selber, da habe ich am Abend davor immer schon die Vase für die Friedhofsblumen herausgestellt. Horst Hermann kam jedes Mal mit Nelken an. Rosen habe ich nie gekriegt, schon gar nicht durch Fleurop.«
Jetzt wurde ich doch neugierig. »Von wem denn?«
»Von Hannes.«
»Etwa rote?«
»Natürlich nicht«, gluckste sie, »aber blassrosa finde ich sowieso viel schöner.« Ich war mir sicher, dass ihr auch dunkelgraue gefallen hätten. »Und für Samstag hat er mich zum Essen eingeladen.«
»Zu sich nach Hause???« Schon wieder dieser Gluckenkomplex!!! Wann würde ich endlich kapieren, dass die Kinder erwachsen sind?
»Nein, wir gehen in einen richtig feudalen Fresstempel.«
»Dann wünsche ich dir guten Appetit. Und kratz nicht wieder mit der Gabel in den Haaren!«
»Hahaha«, sagte sie nur und legte auf.
Später erzählte ich Katja von dem Anruf. »Du kennst den Hannes doch viel besser als ich. Meinst du, da bahnt sich was an?«
»Hoffentlich nicht«, lautete die ernüchternde Auskunft. »Er ist zwar ein netter Kerl, aber er gräbt jede an, die nicht schnell genug den Baum raufkommt. Wenn Steffi vernünftig ist, lässt sie die Finger davon, sonst wird sie doch bloß eine weitere Telefonnummer in seinem Notizbuch.«
Mit dem Vorsatz, diesen Casanova mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, bevor es zu spät sein würde, ging ich schlafen. Am nächsten Morgen wusste ich auch, wann und wie.
»Hast du Lust, an einem der nächsten Tage mit mir nach Heidelberg zu fahren? Ich brauche noch ein Paar bequeme Treter und wenigstens zwei kurzärmelige Blusen.«
Beides hätte ich ohne Schwierigkeiten auch in Heilbronn bekommen. Wir wohnen zwar in der Provinz, aber auch dort geht man mit der Mode, nur manchmal eine Saison später. Katja allerdings kauft selbst ein Paar simple Socken ausschließlich in einer Weltstadt. Berücksichtigt man die alljährlichen Touristenschwärme, dann ist Heidelberg eine!
»Übermorgen hätte ich Zeit, da bin ich schon um zehn Uhr fertig«, sagte meine Tochter sofort. »Ich wollte sowieso mal wieder dem Pascal guten Tag sagen.«
Pascal ist eine Zeitlang ihr unmittelbarer Vorgesetzter gewesen, sofern Aushilfen überhaupt einen haben. Es ist ja bekannt, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, er will auch Butter und Wurst. Selbst dafür hätte der Scheck gereicht, den Rolf während der Studienzeit jeden Monat ausfüllen musste, jedoch nicht für Urlaubsreisen, Designer-Klamotten und ähnlich lebensnotwendige Dinge. Außerdem ist es weitgehend normal, dass Studenten jobben.
In der Molkerei war es zu stressig gewesen, beim Zeitschriftenvertrieb zu langweilig, beim Rechtsanwalt war der Junior mehr an Katja interessiert gewesen als an ihren ohnehin nicht überwältigenden Schreibmaschinenkenntnissen, und so waren die Mädchen schließlich in einem Kaufhaus gelandet; Katja in der Jeans-Abteilung, Nicki gleich daneben bei der Jungen Mode. Im Laufe dieser anderthalb Jahre hatte sich Katjas Bestand an Jeans auf 24 vergrößert. Man bekommt ja Personalrabatt, es gibt Hosen mit kleinen Fehlern, die nicht mal mit der Lupe zu finden sind, und außerdem wird von den Verkäufern erwartet, dass sie neue Modelle auch selber tragen. Die kosten manchmal überhaupt nichts, weil von den jeweiligen Vertretern gespendet. Offenbar hatte sich Katja als regelrechtes Verkaufstalent entpuppt mit sicherem Blick für die Kundschaft (»Bei mir ist keiner weggegangen, dem die Hose nicht genau gepasst hat, und wenn er acht verschiedene anprobieren musste!«), so dass die Geschäftsleitung ihr ein verlockendes Angebot gemacht hatte. Sie sollte ihr Studium schmeißen und auf Kosten des Hauses – bei vollem Gehalt! – BWL studieren, um danach als Einkäuferin o.ä. tätig zu werden.
»Da wäre ich auf Firmenkosten bestimmt auch mal nach Hongkong gekommen«, hatte sie gemeint, dann aber doch abgelehnt. »Am Anfang hätte ich durch alle Abteilungen gemusst, also von den Bratpfannen bis zu Sofakissen, und das wollte ich dann doch nicht. Ihr glaubt ja gar nicht, wer einem da alles über den Weg läuft! Mir war es richtig peinlich, als ich meinem ehemaligen Mathelehrer ein Paar Jeans verpassen musste. Erst hat er mich mit Hängen und Würgen durchs Abitur geprügelt, und dann findet er mich als Verkäuferin von Hosen
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