Schuld war nur die Badewanne
Flasche lauwarmem Sekt ankam und verkündete, er wolle nunmehr mit mir Brüderschaft trinken. »Zu allen anderen sagen Sie du, nur zu mir nicht.«
»Ich habe eben Respekt vor dem Alter!«
Das schmeckte ihm überhaupt nicht. Steffi sah mich auch bitterböse an. »Musste das sein?«
»Was ist denn schon dabei? Wenn ich noch mal achtunddreißig wäre …«
»Hannes ist fünfunddreißig!«
Volltreffer! Na ja, ohne diesen Seehundsbart würde er vielleicht jünger aussehen, aber vielleicht wollte er nur das, was er oben ein bisschen zu wenig hatte, mit dem Kraut unterhalb der Nase kompensieren.
Normalerweise gehöre ich nicht zu den Menschen, die eine Gelegenheitsbekanntschaft schon nach einigen Stunden duzen, aber was soll’s? Ich wollte kein Spielverderber sein, und die Wahrscheinlichkeit eines Wiedersehens war doch wohl sehr gering. Ich bekam einen viertelvollen Pappbecher in die Hand gedrückt, ein Küsschen auf die Wange und die Warnung, ihn niemals Hans-Peter zu nennen, obwohl das sein Taufname sei. »Heißt du wirklich Evelyn, oder ist das auch ein Pseudonym? Ich habe nämlich mal eine Stripteuse kennengelernt, die hieß Roswitha Sowieso, nannte sich aber La Belle Eveline.«
Ich bestritt energisch, nähere Kontakte zum Rotlichtmilieu zu pflegen, sondern den Namen meiner Mutter zu verdanken, die während ihrer Schwangerschaft fürs Englisch-Examen gebüffelt hatte.
Kurz nach sechs beschlossen die Herrschaften, Hunger zu haben, und rüsteten zum Aufbruch. »Was meinst du, Määm, ob Papi wohl schon zu Hause ist?« Katjas Stimme klang ein bisschen ängstlich. »Der kriegt glatt einen Infarkt, wenn wir noch mal geschlossen einfallen.«
Er war noch nicht da, nur seine Stimme. Nach Barbara und Antje, die beide Katja sprechen wollten, vernahm ich das etwas undeutliche Gebrabbel meines Herrn und Gebieters. »Kann mich jemand abholen? Ich möchte lieber nicht mehr fahren.«
»Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an«, entschied Steffi. »Jetzt essen wir erst mal in Ruhe Abendbrot.«
Das dauerte bis halb neun. Um neun Uhr war endlich das letzte Auto vom Parkplatz gerollt, und dann brauchte ich eine weitere halbe Stunde, bis ich Katja überzeugt hatte, dass sie mitkommen müsse. »Wer soll denn Papis Wagen nach Hause fahren?«
»Ich habe doch morgen Unterricht in der Vierten und noch keinen Strich dafür getan. Na, dann wird’s eben mal wieder ’ne autodidaktische Stunde.«
»Eine – was?«
Während wir zur Garage gingen, wurde ich mit den unter Lehrern offenbar recht gängigen Ausweichmethoden vertraut gemacht. »Wenn man nicht vorbereitet ist, gibt es drei Möglichkeiten. Das ist einmal die autodidaktische Stunde, das heißt, auf dem Weg zur Schule überlegt man sich im Auto, wie man die Stunde herumkriegt. Ist einem nichts eingefallen, hofft man auf eine Schwellen-Stunde. Spätestens beim Überschreiten der Türschwelle sollte man einen zündenden Einfall haben. Kommt der nicht, bleibt bloß noch die Hammer-Stunde. ›Was hammer denn gestern gemacht?‹«
Ach ja, noch etwas: Am nächsten Morgen habe ich den Klempner angerufen!
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Betriebsbesichtigung
D ie Wahrscheinlichkeit, innerhalb kurzer Zeit eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist heutzutage fast geringer als ein Volltreffer im Lotto. Aber Stefanie ist ja ein Sonntagskind. Drei Tage nach dem Straßenfest kam ein Anruf von Schorsch. Schon nach den ersten Worten drückte sie auf die Lautsprechertaste, so dass ich mithören konnte. »… Schwester meiner Freundin … äh, umgekehrt, also die Freundin meiner Schwester geht für vier Monate in die Staaten. Eigentlich wollte sie ihr Apartment nicht vermieten, doch meine Schwester hat ihr gut zugeredet. Sie war nämlich zum Blümchengießen, Post aufsammeln und Zimmerlüften abkommandiert, einmal pro Woche zwanzig Kilometer einfach. Nun sollst du sie mal anrufen. Hast du was zum Schreiben da?«
Während sie die Telefonnummer notierte, flüsterte ich: »Frag doch erst mal, wo die Wohnung ist.«
»Hätte ich sowieso getan«, wisperte sie zurück, und dann etwas lauter: »Jetzt musst du mir bloß noch sagen, wo diese Freundin wohnt. Hochhaus siebenter Stock mit kaputtem Fahrstuhl oder dörfliche Abgeschiedenheit, wo Klärgruben noch zur Standardausrüstung gehören?«
Schorsch lachte schallend los. »Die Wohnung befindet sich in einem Dreifamilienhaus in Ketsch. Weißt du, wo das ist?«
»Keine Ahnung, nie gehört. Klingt aber sehr abgelegen.«
»Also ganz genau kann
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